2015 im Archiv: Planen für die Zukunft

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Allgemein, Archiv 21, Archivneubau, Digitalisierung

Blick nach vorne. Undatiert. Staatsarchiv, AL 45, 5-59-4.

Ein Jahresbericht ist zwar eine Pflichtübung: Er legt Rechenschaft ab über die Verwaltungstätigkeit. Gleichzeitig ist er aber auch ein nützliches Gefäss, um über Entwicklungen und Herausforderungen nachzudenken. 2015 standen vor allem drei Themen im Vordergrund: das Neubauprojekt, das Projekt Digitales Archiv 2.0 und die Records Management-Strategie. Die folgenden Auszüge aus dem Kapitel «Schwerpunkte» des Jahresberichts 2015 dokumentieren Erreichtes und Geplantes.

Neubauprojekt

Ende Juni 2015 kürte die Jury den Entwurf «zasamane» von EM2N / Mathias Müller und Daniel Niggli Architekten AG zum Siegerprojekt des Neubauwettbewerbs. Vorausgegangen war eine fachliche Vorprüfung aller 21 Entwürfe durch Staatsarchiv und Naturhistorisches Museum (NMB) sowie weitere Prüfinstanzen. Im Anschluss an den Juryentscheid wurden Organisationsstrukturen für die weitere Zusammenarbeit aller Beteiligten im Vorprojekt geschaffen. Im Archiv selbst begann die Feinjustierung, unter Einbezug der fachlich zuständigen Mitarbeiter und in Zusammenarbeit mit Generalplaner, Architekten und Fachplanern. Das Vorprojekt soll auf Mitte 2016 hin abgeschlossen werden. Mit dieser Weiterentwicklung des Entwurfs können die Kosten zuverlässig geplant werden. Darauf basiert dann der Ratschlag für die Finanzierung des Vorhabens, der im ersten Quartal 2017 der Regierung und dem Grossen Rat zum Entscheid vorgelegt werden soll.

Beim Siegerprojekt «zasamane» überzeugte aus Sicht des Archivs zunächst die ausgezeichnete Umsetzung der räumlichen Anforderungen. Damit werden beste Voraussetzungen für einen schlanken und deshalb auch effizienten Betrieb geschaffen. Die klare räumliche Zuordnung der beiden Institutionen verleiht ferner beiden Institutionen ihr eigenes Gewicht und eine eigene Adresse. Das Staatsarchiv ist mit Eingangsbereich und öffentlichen Räumlichkeiten im Erdgeschoss auf Seiten des Turms platziert und im vierten Obergeschoss mit Lesesaal, Werkstätten und Büros auf der gesamten Länge des Baus von aussen sichtbar. Die Magazine hingegen sind von aussen unsichtbar in den Untergeschossen konzentriert.

Digitaler Lesesaal

Die Vorarbeiten zum Projekt Digitales Archiv 2.0 (Ausbau und Weiterentwicklung des Archivinformationssystems des Staatsarchivs) gehen zurück auf eine Machbarkeitsstudie für einen digitalen Lesesaal. Diese wurde bereits 2012–2013 gemeinsam mit dem Staatsarchiv St. Gallen erarbeitet. Das Projekt Digitales Archiv 2.0 wurde im Berichtsjahr vom Regierungsrat an den Grossen Rat zur Behandlung überwiesen und mit einer leichten, bauprojektbedingten Verzögerung durch alle kantonalen Fachinstanzen auf Herz und Nieren geprüft. Eine erste Beratung mit der zuständigen Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission fand noch im Dezember 2015 statt. Im Februar 2016 schliesslich stimmte der Grosse Rat dem Ratschlag mit 84 Ja-Stimmen gegen 1 Nein-Stimme zu.

Im Zentrum der insgesamt fünf geplanten Teilprojekte stehen der sogenannte digitale Lesesaal und die langfristige digitale Bestandeserhaltung (digital preservation). Was ist unter einem digitalen Lesesaal zu verstehen? Bereits heute sind alle Bestände des Archivs online recherchierbar. Etwa eine halbe Million digitalisierter Dokumentseiten und gegen 50 000 digitalisierte Bilder und Fotos sind online einsehbar und konsultierbar. Aber es ist heute dennoch nicht möglich, originär digitale (digital born) Dokumente sicher und rechtskonform zur Verfügung zu stellen. Dringend nötig ist deshalb die Schaffung einer zukunftsfähigen und leistungsfähigen Nutzungsinfrastruktur, die dies ermöglicht. Bei der Erarbeitung des Lösungskonzepts für das Gesamtprojekt wurde entsprechend hoher Wert darauf gelegt, dass die Lösungen sowohl den Vorgaben der IT- und E-Government-Strategie des Kantons entsprechen als auch technologisch eine möglichst lange Lebensdauer aufweisen. Wichtig dabei sind: Verwendung offener Technologiestandards, offen gelegte und standardisierte Schnittstellen für Import und Export von Daten, Einhaltung aller funktionalen und fachlichen Standards.

Benutzer im Zentrum

Zukunftsfähigkeit bezieht sich aber nicht ausschliesslich auf die Organisation und die technologischen Infrastrukturen des Staatsarchivs. Die Online-Services müssen sich auch an den Bedürfnissen und Gepflogenheiten der zukünftigen Nutzenden des Archivs orientieren und die rasante digitale Transformation der Gesellschaft berücksichtigen. Die ursprüngliche, eher aus der Optik der Institution entwickelte Konzeption wurde deshalb in einer zweiten Phase der Projektentwicklung systematisch um die Nutzerperspektive erweitert. Auch der geplante Neubau mit neuen räumlichen Möglichkeiten setzt die Aktualisierung der Services und ihre Einbettung in eine eigentliche Servicedesign-Strategie voraus. Diese aktualisierten Dienstleistungen des Archivs, die sowohl Online- als auch Offline-Angebote umfassen werden, müssen in die neuen räumlichen Gegebenheiten klug integriert werden und diese gleichzeitig optimal nutzen.

Der digitale Lesesaal wird künftig die zentrale Schnittstelle zwischen Staatsarchiv und Benutzenden bilden, soweit es um die Nutzung von digitalem und digitalisiertem Archivgut geht. Mit dem neuen digitalen Zugang wird in erster Linie sichergestellt, dass die integrale Recherche und Nutzung von digitalem Archivgut möglich ist, dass sämtliche archivrechtlichen Anforderungen erfüllt werden, dass die Nutzung sowohl datenschutz- und urheberrechtskonform als auch auf sicheren Systemen erfolgt. Ferner sieht der digitale Lesesaal den Ausbau der Recherchefunktionalitäten für neue Nutzungsformen vor. Die Bestellung von digitalem wie analogem Archivgut für eine Nutzung im physischen Lesesaal vor Ort geschieht ebenfalls im digitalen Lesesaal. Dies gilt auch für die Bestellung von Reproduktionen, die Bezahlung von digitalen Reproduktionen von Archivgut sowie deren Zustellung. Der digitale Lesesaal wird darüber hinaus den Nutzenden Möglichkeiten bieten, Archivgut zu kommentieren, zu transkribieren sowie die Vernetzung von Archivgut in unterschiedlichen Repräsentationsformen mit externen Informationen (etwa mit Normdaten) vorzunehmen.

Digitale Bestandeserhaltung

Was ist unter digitaler Bestandeserhaltung zu verstehen? Inwiefern unterscheidet sie sich von der digitalen Speicherung? Mit dem 2011 abgeschlossenen Projekt Informatisierung III wurden Infrastrukturen und Prozesse geschaffen, um digitale Unterlagen dauerhaft in das Staatsarchiv zu übernehmen, zu verzeichnen und zu speichern. Das Staatsarchiv hat dabei entschieden, für die langfristige Bestandeserhaltung digitalen Archivguts die sogenannte Migrationsstrategie anzuwenden. Diese sieht vor, digitales Archivgut anwendungs- und systemunabhängig in möglichst offenen und stabilen archivtauglichen Dateiformaten zu speichern. Diese werden in neuere Dateiformate konvertiert, bevor die aktuellen Dateiformate technologisch überholt sind. Diese Position entspricht aktuell einem breiten internationalen Konsens bei der dauerhaften, das heisst zeitlich nicht befristeten Archivierung digitaler Unterlagen. Das Teilprojekt preserve des Projekts Digitales Archiv 2.0 setzt hier an und stellt Prozesse und Werkzeuge bereit, um die Migrationsstrategie in die Praxis umzusetzen. Damit kann die Konvertierung grosser Dateimengen in neue Formate kontrolliert, dokumentiert und nachvollziehbar gemacht werden. Das Staatsarchiv betreibt für dieses Teilprojekt keinen Entwicklungsaufwand oder gar Grundlagenforschung, sondern integriert bestehende Lösungen in die vorhandene Infrastruktur des digitalen Magazins.

Records Management-Grundsätze und Records Management-Strategie

Im Berichtsjahr wurden im Bereich Records Management aus gesamtkantonaler Perspektive wichtige Ergebnisse erzielt. Von Staatskanzlei und Staatsarchiv wurden erstmals Records Management-Grundsätze mit den minimalen organisatorischen Anforderungen festgelegt und am 7. Juli vom Regierungsrat genehmigt. Im zweiten Halbjahr begann unter Federführung der Abteilung Informatiksteuerung und Organisation (ISO) des Finanzdepartements und unter Mitwirkung von Staatskanzlei und Staatsarchiv die Erarbeitung einer gesamtkantonalen Records Management-Strategie. Eines der Ziele bei der Umsetzung wird der Primatswechsel sein, das heisst der gesamtkantonale Wechsel auf die elektronische Aktenführung. Im Hinblick darauf wurde bereits im Berichtsjahr mit der Überarbeitung der Registraturpläne in allen Dienststellen der Verwaltung begonnen. Die Verabschiedung der Records Management-Strategie durch den Regierungsrat ist auf Anfang 2017 geplant.