Erinnerungen eines Basler Polizisten 1

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Aus dem Lesesaal

Aus den Erinnerungen von Reinhard Grieder (1877-1954), festgehalten 1943. Das Manuskript wurde der Polizei Basel-Stadt von seinem Enkel zugestellt. Die hier publizierten Auszüge bilden eine Ergänzung zum 2016 erschienenen Jubiläumsbuch der Kantonspolizei.

Berufswahl

Im Winter 1906/1907 fuhr ich nach Basel und machte dort einen Besuch. Auf dem Gang durch die Stadt sah ich die Polizisten in ihren schmucken Uniformen stehen und dachte, das wäre jetzt auch etwas für dich. Am Barfüsserplatz redete ich einen dieser Polizisten an, fragte ihn aus über die Lohn- und Dienstverhältnisse der Basler Polizisten. Kurz entschlossen ging ich auf den Lohnhof und meldete mich beim Chef der Polizei, Herr Hauptmann Mangold, und ersuchte ihn, mich in seinem Korps einzustellen. Ich musste eine Anmeldung sowie einen kurzen Lebenslauf schreiben. Der Feldweibel nahm mir das Schreiben ab und sagte mir, ich solle nun ruhig nach Hause gehen, ich werde dann Bericht erhalten. Nach ca. einem halben Jahr – ich hatte die Hoffnung auf eine Anstellung schon aufgegeben – kam Bericht, dass ich nun bei der Basler Polizei eintreten könne vorausgesetzt, dass eine ärztliche Untersuchung günstig ausfallen werde.

85-Stunden-Woche

Am 15. Juni 1907 wurde ich Polizei-Rekrut in Basel! Nun hatte ich einen fixen Gehalt, freie Wohnung & Kleidung, dafür war ich aber kein freier Mann mehr. Nach einer Rekrutenzeit von ca. 14 Monaten wurde ich mit 15 Kollegen im Herbst 1908 vereidigt. Es war nicht etwa ein Eid, den wir durch Aufheben von drei Fingern leisten mussten, sondern ein Handgelübde. Wir mussten dem Herr Vorsteher Regierungsrat Blocher in die Hand geloben, dem Staat treu zu dienen, das Dienstreglement und die Gesetze streng zu beachten. Mit dem Handgelübde reichte er jedem eine Fünfzigernote, das sogenannte Handgeld. Mit diesem Akt war die Anstellung perfekt. [..] Bei meinem Eintritt zählte das Polizeikorps etwa 150 Mann, die einander in den ununterbrochenen Tag- und Nachtdienst in drei Touren ablösten. Die 48 Stundenwoche wie bei den übrigen Staatsangestellten gab es bei der Polizei nicht. Der Polizist hat in der Woche wenigstens 85 Stunden Dienst. Ausser jeden dritten Sonn- und Feiertag gab es im Monat noch zwei freie Werktage.

Hierarchien

1911: Am 1. Januar werde ich auf dem Polizeiposten Riehen stationiert. Der Dienst wäre hier angenehm, dagegen die Schlafgelegenheit ist miserabel. Das Schlafzimmer, das auch von der Nachtdienst-Mannschaft benutzt wird, wäre für einen Hundestall gerade gut genug. Lieutenant Bloch macht auf dem Posten Visite und fragt mich, ob ich für den immer noch im Postenlokal stehenden Koffer keinen anderen Platz habe. Auf die verneinende Antwort schüttelt er den Kopf und darauf komme ich im April wieder in die Stadt.
1917: Am 1. Januar werde ich auf den Gundeldingerposten stationiert, wozu ich nach zehnjähriger Taglöhnerei gewiss berechtigt bin. Unser Postenchef ist ein so gütiger Mann, dass er uns ausgerechnet an den kältesten Tagen die längsten Touren einteilt. Ich begehe die Unvorsichtigkeit, hiegegen zu reklamieren, was einer Insubordination ähnlich sieht. Ein Rapport an den Feldweibel ist die Folge und dort heisst es, der Dienst sei ganz recht eingeteilt, es gebe dagegen nichts zu reklamieren, er wolle schon dafür sorgen, dass ich wieder versetzt werde. Der Feldweibel hält sein Wort und so werde ich am kommenden Januar wieder auf den Lohnhof versetzt. Ich werde wieder Taglöhner. Ich kann nur allen Kollegen zurufen: “derjenige Polizeimann ist der Klügste, der es versteht, sich vom Dienst zu drücken und bei den Vorgesetzten doch lieb Kind sein kann“.