Kunstgeschichte in Briefen

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Digitale Edition

Auch davon erzählt die Online-Edition der Briefe an Jacob Burckhardt: vom Austausch zwischen Forschung und Museum. Ein Blogbeitrag von Susanne Müller, Projektmitarbeiterin der Edition.

Wilhelm_von_Bode_1901

Wie kaum ein anderer Kunsthistoriker hat Wilhelm von Bode (1845–1929) das moderne Museumswesen angeregt und bestimmt. Sein maßgeblicher Einfluß am Ausbau der Berliner Sammlungen, sein Anteil an Neugründungen ganzer Abteilungen und an der Errichtung des Kaiser-Friedrich-Museums (heute Bode-Museum) machen ihn zu einer aus seiner Zeit herausragenden und Maßstäbe setzenden Figur. Insbesondere gilt die Gründung und der Aufbau der Sammlung italienischer Plastiken der Frührenaissance als sein Verdienst.

Seit 1871 war Bode über seine Zuarbeit zu Albert von Zahns dritter Ausgabe des „Cicerone“ mit Burckhardt in Beziehung gekommen. Im September 1874, anlässlich seiner Durchreise, stellte sich Bode in Basel dem Autor des „Cicerone“ persönlich vor. Burckhardt schien von dem jungen Manne stark beeindruckt zu sein, denn am Tage nach dessen Besuch (Brief vom 13. September 1874) schrieb er an den Verleger Seemann, dass er Bode mit einer weiteren Auflage des „Cicerone“ beauftragt habe.

Ausnahmsweise auch Briefe von Burckhardt

Mit diesem Treffen begann eine von gegenseitiger Hochachtung geprägte Bekanntschaft, von der der hier publizierte Briefwechsel Zeugnis ablegt. burckhardtsource.org veröffentlicht in diesem Falle auch die Briefe Burckhardts, da die gedruckte Ausgabe nicht alle überlieferten schriftlichen Botschaften beinhaltet. Auch wenn die erhaltene Korrespondenz klein ist, erlaubt sie doch einen bedeutsamen Einblick in die fachlichen Interessen und den wissenschaftlicher Austausch der beiden Gelehrten.

In den Jahren 1874 bis 1891 führten Bode und Burckhardt einen um die methodischen Probleme der zeitgenössischen Kunstgeschichte kreisenden Briefwechsel: So wird z.B. über die positivistische Methode Giovanni Morellis und seiner Schule diskutiert. Während Burckhardt den Eindruck hatte, “daß bei diesem Mann zwar sehr viel zu lernen wäre, daß er aber nie auf Das eingehen würde was mir das Wesentliche wäre”, betrachtete Bode die Beurteilung der Gemälde “nach ‚Ohr’, Landschaft, Gewandung etc“ als unzureichend für eine exakte Zuschreibung und die „Betrachtung der Gemälde unter dem Secirmesser“ als unvereinbar mit dem Kunstgenuss.

Ein Blick in das Manuskript

Gleichzeitig ist immer wieder die Rede von den Bemühungen Bodes, die biographische und narrative Form der Kunstgeschichtsschreibung durch Studien der Morphologie und der Kunstgattungen zu überwinden. Die Briefe erhellen, wie Bode versuchte, die unveröffentlichte Methode  Burckhardts, die „Kunstgeschichte nach Aufgaben und Gattungen“ zu gliedern, in seinen wissenschaftlichen Publikationen umzusetzen: „Dass Sie diese tastenden Versuche nach einer mir ungewohnten aber sehr sympathischen Richtung nicht verdammen, sondern mich ermuntern in der Richtung weiter vorzugehen, ist mir eine ganz besondere Freude u. macht mir in der That Muth zu weiteren Versuchen der Art. Um so mehr bedaure ich aber, dass Ihr M.S. über die italien. Sculptur [Geschichte der Renaissance in Italien], in das Sie mich einmal haben hineinblicken lassen, im Pulte liegen geblieben ist […].” Tatsächlich hatte Bode das sorgsam behütete Manuskript Burckhardts über die Skulptur und Malerei in einer Nacht einsehen können. Als Bode 1889 den Basler um Rat für die Neukonzeption der Galeriekataloge 1889 fragte, empfahl ihm letzterer nun explizit, die Handbücher „nach Gattungen und Aufgaben” zu gliedern.