Strassengeschichten. 6: Der Steinenberg

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Allgemein

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Der Steinenberg um 1865. Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Schn. 47

Unter den vielen Schätzen des Staatsarchivs Basel-Stadt haben die 248 Aquarelle des Basler Dessinateurs Johann Jakob Schneider (1820–1889) einen besonderen Stellenwert. Sie dokumentieren, wenn auch oft etwas arg biedermeierlich-geschönt, das alte Strassenbild, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend verschwand. Mit dem Ankauf der Schneiderschen Sammlung durch die Regierung (1884/1888) wurde der Grundstock für die Bildersammlung des Staatsarchivs gelegt.

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Der Rahmengraben (Steinenberg) vor 1820. Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Schn. 48

Einige dieser Aquarelle hat Schneider nach älteren Vorlagen kopiert, wie beispielsweise diesen Blick auf den Steinenberg. Denn die Innere Stadtmauer wurde hier schon um 1820 abgebrochen – in diesem Jahr wurde Schneider erst geboren.

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Barfüsserplatz, Südostseite um 1821. Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Schn. 42

Dasselbe gilt für die Ansicht von der anderen Seite, also vom Barfüsserplatz aus, auf dem rechts noch das Eselstor zu sehen ist. Die Häuser links daneben gehörten ursprünglich zum Barfüsserkloster. Dieses kam, wie alle Basler Klöster, nach der Reformation 1529 unter städtische Verwaltung worden. Es wurde nicht etwa aufgelöst, sonst wären die reichen Pfründe aus dem Elsass und dem Breisgau versiegt. Die verschiedenen Klosteranlagen wurden von der Stadt unterschiedlich genutzt. In den Häusern auf Schneiders Aquarell etwa waren eine Knaben- und eine Mädchenschule untergebracht. Die Kirche ihrerseits diente zwischen 1846 und 1865 als Lagerhalle des Kaufhauses, dessen mächtiges Portal zu Schneiders Zeit den Barfüsserplatz dominierte.

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Wirtschaftshof des Steinenklosters St. Maria Magdalena, 1869. Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Schn. 95

Ein Kloster stand auch auf der anderen Seite des Steinenbergs: Maria Magdalena in der Steinen, oder kurz das Steinenkloster. Es war für «gefallene Mädchen und reuige Sünderinnen» gedacht, und es ist nicht davon auszugehen, dass alle Insassinnen freiwillig den Weg hinter die Klostermauern gefunden hatten.

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Hofansicht der Blömleinkaserne, 1856. Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Schn. 86

Hier brachte der Rat um 1690 die Standeskompanie unter, also die sogenannten Stänzler, von denen Paul Burckhardt in seiner Publikation «Geschichte der Stadt Basel» nichts weiter bemerkte, als dass sie sich mit ihren schmucken Uniformen als «vorzügliche Dekoration bei patriotischen Festen (eigneten); aber mit der Ausbildung stand es nicht zum besten.» Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden alle ehemaligen Klosterbauten (mit Ausnahme der Barfüsserkirche) sukkzessive niedergelegt. Diesen Wandel hat Johann Jakob Schneider, der letzte Basler Kleinmeister, zwar noch erlebt, aber nicht mehr in Bildern festgehalten. Stattdessen können wir hier auf die umfangreiche Sammlung historischer Photographien des Staatsarchivs zurückgreifen.

Basel wird Kulturstadt

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Ausschnitt aus dem Plan der Stadt Basel von 1847 (Mählyplan). Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD 1, 835

Im internationalen Vergleich ist die Breite und Dichte des kulturellen Angebots Basels immer wieder verblüffend. Nicht zu unrecht wirbt Basel Tourismus mit dem Slogan «the cultural heart of Switzerland». Dem war keineswegs immer so. Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein beschrieben fremde Reisende die Stadt als verstaubt und provinziell und stellten der Kulturbeflissenheit der Basler kein gutes Zeugnis aus. Dies änderte sich im 19. Jahrhundert grundlegend. Basel positionierte sich nach 1850 bewusst und gezielt als Kulturstadt. Dabei mag die 1833 erfolgte Kantonstrennung eine gewisse Rolle gespielt haben. Den Auftakt machte der 1850 eröffnete Museumsbau von Melchior Berri in der Augustinergasse. Seinen programmatischen Charakter verdeutlicht das Fries, das Basilea als Schutzpatronin der Künste und Wissenschaften zeigt. Für wie wichtig der Bau angesehen wurde, unterstreicht auch die Tatsache, dass ihn Johann Friedrich Mähly in seinem Vogelschauplan der Stadt von 1845 dargestellt hat, obschon er zu dieser Zeit noch gar nicht gebaut war.

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Stadtcasino und Steinenberg gegen das Bottenstüblein, vor 1895. Staatsarchiv Basel-Stadt, AL 45, 4-84-2

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Steinenberg, Kunsthalle vor dem Bau des Stadttheaters, 1872. Staatsarchiv Basel-Stadt, AL 45, 4-65-1

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Theaterstrasse 1 (Stadttheater) am Steinenberg 9/13, ca. 1890. Staatsarchiv Basel-Stadt, NEG 2120

In der Folge wurde der Steinenberg konsequent zur neuen städtischen Kulturmeile umgebaut. Dort stand ja schon seit 1824 das ebenfalls von Berri erbaute Casino, sozusagen ein bürgerliches Gesellschaftshaus mit Ball-, Konzert- und Speisesäälen. 1876 wurde es durch den neobarocken Musiksaal von von Johann Jakob Stehlin den Jüngeren erweitert. Der selbe Architekt zeichnete auch für den 1875 vollendeten Theaterbau auf der gegenüberliegenden Strassenseite verantwortlich. Zusammen mit der drei Jahre zuvor eröffneten Kunsthalle (ebenfalls von Stehlin) bildeten diese Bauten ein beeindruckendes städtebauliches Ensemble.

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Grossbasler Uferpartie mit Landungssteg der Harzgrabenfähre, zwischen 1860 und 1870. Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Visch. A 8

Die Kunsthalle wurde übrigens nicht von der Stadt finanziert. Der Basler Künstlerverein musste sein neues Ausstellungsgebäude selbst berappen – und hatte dazu eine ausgesprochen originelle Idee: Man könne einen Fährbetrieb über den Rhein einrichten. Sie war ein durchschlagender Erfolg. 1854 wurde dort, wo heute die Wettsteinbrücke steht, die Harzgrabenfähre in Betrieb genommen. Nach 15 Jahren (und der Einrichtung einer zweiten Fähre beim Klingental 1862) war das Geld für den Bau der Kunsthalle eingefahren.

Ein Beitrag von Peter Habicht im Rahmen der Serie Strassengeschichten.