Was wussten die Basler Behörden vom illegalen Grenzübertritt?

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Aus dem Lesesaal

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Kürzlich war Doris Field aus Tampa, Florida, gebürtig von Basel, mit ihrem Gatten zu Besuch in Basel. Diese Stadt war für ihre vom NS-Regime verfolgten Eltern Sally und Fanny Schächter lebensrettende Station gewesen. Dossiers zu ihrer Familie, die sich im Staatsarchiv finden, geben Aufschluss über deren verzweifelte Lage, geben aber auch in einzelnen Punkten Rätsel auf. Klar ist: Sally Schächter war – nur seinen Papieren nach – polnischer Staatsbürger und wurde vom NS-Regime als polnischer Jude ausgebürgert und im Frühsommer 1939 aus dem „Reichsgebiet“ ausgewiesen. Die Flucht des Kölner Ehepaars über die Basler Grenze lag insofern nahe, als Doris Fields Mutter mit den Grenzverhältnissen vertraut war. Sally Schächter gab im August 1939 auf Befragen zu Protokoll, er und seine Gattin Fanny hätten die Grenze die Grenze bei Lörrach am 30. Juni 1939 überschritten, ohne vorher von den Basler Kantonsbehörden die Genehmigung erhalten zu haben. Er habe sich noch am gleichen Tag bei der Kantonspolizei gemeldet.

Eine angekündigte Grenzübertretung

Nun findet sich in Sally Schächters Dossier aber folgende Notiz: „Sally Schächter und seine Frau treffen diese Woche hier ein. Grenzpolizei angewiesen, die Einreise zu bewilligen“. Die Notiz erhält keinen Hinweis, von wem die Vorinformation stammt, und wer verfügt hat, den Grenzübertritt zu tolerieren.

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Dem Ehepaar Schächter wurden vier Wochen eingeräumt, seine geplante Flucht nach England in die Wege zu leiten. Nur sollte aus dem britischen Visum nichts werden. Nach Ablauf der ihm zugebilligten Frist wählte das Ehepaar den Weg der illegalen Flucht über die schweizerisch-französische Grenze. Und wieder tut sich eine Merkwürdigkeit auf. Auch von diesem Grenzübertritt hatte die Basler Kantonspolizei offenbar Kenntnis. Auf einem Blatt mit dem Datumsstempel „25. Juli 1939“ findet sich der handschriftliche Vermerk „n. Frankreich“.

Dieser wie ein weiterer Versuch der illegalen Einreise nach Frankreich scheiterte. Doris Fields Eltern fanden nun Aufnahme in Basel, gegen die routinemäßige Einforderung des Nachweises, dass sie ihre Weiterreise mit Nachdruck betreiben würden. Alle weiteren Aufenthaltsbewilligungen erstreckten sich gemäß der fremdenpolizeilichen Praxis auf jeweils drei Monate. Sally Schächter und seine Frau lebten von der Unterstützung des Israelitischen Gemeindebundes. Sally Schächter leistete Küchendienst im Sommercasino, der damaligen Gemeinschaftsunterkunft für jüdische Flüchtlinge.

Davon wusste Doris Field aus den Erzählungen ihrer Eltern nach der Auswanderung der Familie in die USA.

Gefunden im Staatsarchiv

Ulrich Tromm, einstiger Geschichts- und Englischlehrer, forscht im Staatsarchiv über die regionale Geschichte des Nationalsozialismus. Von ihm stammt der oben stehende Beitrag.