Zahlen-Geschichten aus Rechnungsbüchern

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Was kosteten die Botendienste? Statue Ratsbote im Rathaus. Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Falk. A 118.

75 Jahrgänge Rechnungen – die baselstädtischen Jahrrechnungen von 1535-1610 – enthalten naturgemäss eine Fülle von Zahlen – langweilige und spannende, gewichtige und nebensächliche,
strukturrelevante und absonderliche. Hier eine kleine Auswahl. Die Angaben beziehen sich auf den gesamten Zeitraum zwischen 1535 und 1610.

Prinzipiell waren die städtischen Finanzhaushalte im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit, anders als heute, durch starke jährliche Schwankungen gekennzeichnet. Das traf auch für Basel zu. Zwar verzeichnete Basel in den 75 Jahren zwischen 1535 und 1610 insgesamt einen Einnahmeüberschuss. Aufgrund der grossen jährlichen Schwankungen und wegen der insgesamt geringen «Staatsquote» mussten aber aussergewöhnliche Ausgaben durch aussergewöhnliche Einnahmen finanziert werden. Dies geschah meist in Form von Anleihen, besonders häufig Leibrenten, die städtische Bürger und Bürgerinnen, aber auch Adlige aus der Umgebung von Basel erwarben. Typisch für diese Form des vormodernen Staatshaushaltes ist auch die Tatsache, dass es praktisch keine direkten Einkommenssteuern gab.

Eine besonders wichtige Einnahmequelle der Stadt Basel im 16. Jahrhundert war die indirekte Verbrauchssteuer auf Wein, das sogenannte Weinungeld. Zusammen mit den Steuern auf Fleisch und Mehl wurden dank der wichtigsten indirekten Konsumsteuern auf Lebensmittel mehr als ein Viertel der Gesamteinnahmen der städtischen Einnahmen generiert. An zweiter Stelle folgten die Einnahmen aus den Pensionenzahlungen ausländischer Mächte mit etwa 40% am Total der städtischen Einnahmen. Hier erhielt die Stadt grössere Geldzahlungen dafür, dass sie ausländischen Mächten erlaubte, auf ihrem Territorium Soldaten anzuwerben.

Söldner, Kriegsmaterial, Verteidigungskosten

Für Söldner zahlte die Stadt insgesamt 27’733 Pfund, Kriegsmaterial wie Pulver, Büchse, Äxte, aber auch Ausgaben für diejenigen, die das Material warteten, wie etwa den Büchsenmeister,  kosteten ca. 23’000 Pfund. Dem standen Einnahmen aus einmaligen Geschäften mit Kriegsmaterial wie Musketen, Hacken, Blei und Pulver in Höhe von 4000 Pfund, vor allem aber die bereits erwähnten regelmässigen Einnahmen aus dem sogenannten Pensionenwesen in Höhe von insgesamt knapp 376’000 Pfund gegenüber.

Verwaltungskosten

Pergament, Papier, Tinte und Kanzleiausrüstung (wie Mobiliar etc.): Die funktionierende städtische Verwaltungsschriftlichkeit zog ganz konkrete Ausgaben nach sich: Insgesamt gab die Stadt im Laufe der 75 Jahre für Schreibmaterial 1425 Pfund aus, davon 890 Pfund für Pergament, auf dem die Urkunden geschrieben wurden und das anscheinend nur in der Stadt verwendet wurde. Für Papier in der Stadt beliefen sich die Ausgaben noch auf etwa 518 Pfund, in den Ämtern waren es dagegen lediglich etwas mehr als 17 Pfund, die in den Jahrrechnungen aufscheinen. Kostete 1585/86 ein Ries Papier noch 21 Batzen, so waren es 1590/91 schon 26 Batzen und 1600/01 27 Batzen. Bei einem Ries, einer aus dem arabischen abgeleiteten Mengeneinheit für Papier,
handelt es sich übrigens um 480 Bogen Schreibpapier (1 Ballen = 10 Ries = 200 Buch = 4800 Bogen). Aber auch die Kanzleistube selbst und deren Einrichtung zur Archivierung der Unterlagen benötigte gelegentlich Investitionen: So etwa 1538/39, als ein gewisser Meister Veltin insgesamt 515 Pfund für Schubladen, Truhen/Kisten und Schreibtische erhielt, allesamt für die Kanzlei. Oder die 2 Pfund und 5 Schillinge, die 1565/66 ein Kupferrohr für den Ofen der Kanzlei kostete, oder der Lohn von 510 Pfund, den die Werkleute erhielten, als sie 1607/08 bei der «aufrichtung der cantzlei» halfen, sowie die 17 Pfund, für die Meister Hans, der Gipser, 1610/11 in der Kanzlei arbeitete. Etwas kosten liess sich der Rat auch die prachtvolle Ausstattung der vorderen
Ratsstube, dem heutigen Regierungsratsaal, durch den aus dem Burgund zugewanderten Schreiner Franz Pergo. Für sein sogenanntes «Türgericht», das zugleich als Meisterstück anerkannt wurde, zahlte man ihm 125 Pfund und befreite ihn vom Wachtdienst an der Stadtmauer.

Uniformen und Arbeitskleidung

Lohnbestandteile in Form von Röcken für städtische Angestellte, also «Sachbezüge», wie wir heute sagen würden, werden mit 695 Pfund notiert. Dabei fällt auf, dass es offensichtlich zwei Qualitäten von Amtskleidung gab: Während der Stadtschreiber und der Ratsknecht zum Amtsantritt 14 Pfund 2 Schilling 8 Pfennige für ihre neue Amtstracht erhielten, mussten sich untere Beamte wie der Brunnenmeister oder der Nachrichter mit 4 Pfund begnügen, der Bettelvogt erhielt sogar noch weniger.

Fürsorgeleistungen

Arme erhielten aus der Staatskasse in diesen 75 Jahren Almosen in Höhe von insgesamt 8200 Pfund. Zahlungen gingen unter anderem an eine Frau mit 8 Kindern, einen armen Adligen für seine Badekur, eine aus der Stadt verwiesene Frau als Zehrpfennig, an Findelkinder und verarmte Kriegsknechte, an Arztkosten für Arme, oder es handelte sich um Almosen für verarmte Witwen. Auch eine Art Katastrophenhilfe wurde in einer Zeit, in der es noch keine Versicherungen gegen Elementarschäden gab, bereits geleistet: Recht regelmässig zahlte die Stadt grössere Summen an die Opfer von Brandkatastrophen, u.a. auch in den Kleinen Bädern von Baden – entsprechende Zahlungen machten insgesamt mehr als ein Drittel der Almosenzahlungen aus. Gelegentlich wurden armen Gefangenen (unter ihnen auch zwei Männer, die in türkischer Gefangenschaft waren) Zuwendungen gemacht, gesamthaft immerhin 570 Pfund. Und 1569/70 zahlte die Stadt Flüchtlingen in Genf, die aus Frankreich vertrieben worden waren, «uff anhalten der herren predicanten» 250 Pfund, der höchste als Einzelposten ausbezahlte Betrag für Almosen zwischen 1535 und 1610.
Eine spezifische Form obrigkeitlicher Fürsorge bestand in der Übernahme von Heilungskosten für Scherer: gesamthaft gab die Stadt Basel hierfür innerhalb von 75 Jahren ca. 585 Pfund aus, darunter 10 Pfund an einen Tagelöhner, der bei Bauarbeiten von der Wiesenbrücke gestürzt war, und für eine arme Frau, die von einem Kirschbaum gefallen war, 3 Pfund 10 Schilling.

Bausektor

Baukosten fielen für unterschiedliche Aufgaben an: So gab die Stadt für Ziegel 2550 Pfund aus, für die Pflästerer zahlte man 3593 Pfund, und gut 1100 Pfund steckte die
Obrigkeit in Erhalt und Erneuerung verschiedener Brücken vor allem im Baselbiet, z.B. bei Augst und Rümlingen. Unterhaltskosten und Dammbauarbeiten an der Wiese kosteten insgesamt 2991 Pfund. Fenster waren ein immer wiederkehrender Ausgabeposten: Insgesamt gab die Obrigkeit 1760 Pfund in 75 Jahren aus. In dieser Summe enthalten sind 1046 Pfund für Fenstergeschenke. Dabei handelt es sich wohl meist um Wappenscheiben, gehörte doch damals das Stiften von Wappenscheiben zu den besonders beliebten Gabenpraktiken und diente insbesondere der  freundeidgenössischen Beziehungspflege. Auffällig häufig erhielten Wirte in der näheren Umgebung, aber auch in der ganzen Eidgenossenschaft solche Ehrengeschenke. So gingen Fensterstiftungen von Basel u.a. nach Bern, Appenzell, aber auch an die Herren von Bremgarten, nach Freiburg, an den Meier von Benken, nach Schwyz, Glarus, ins Schützenhaus nach Unterwalden, nach Zug,
Uri, ins Zürcher Schützenhaus, nach Luzern, Langental, Biel, Laufen, Rapperswil, Schaffhausen, an den Abt von Kreuzlingen, nach Solothurn, ins Zunfthaus der Krämer in Schaffhausen, an die Herren von Sax oder ins Schützenhaus nach Baar.

Transport, Boten, Pferde

Politiker und Boten legten erhebliche Strecken im Dienste der Stadt zurück, ob sie zur Tagsatzung nach Baden ritten, Verwaltungsaufgaben in den Baselbieter Ämtern, aber auch in der Eidgenossenschaft wahrnahmen, zum Reichstag oder in andere befreundete Reichsstädte ritten oder in anderen diplomaitschen Gesandtschaften und Verwaltungsangelegenheiten unterwegs waren. Für die dabei anfallenden «Fahrtkosten» zahlte die Stadt insgesamt 933 Pfund an Reitgeld, 1311 Pfund für Botenzehrung, und für Sendbriefe (also Postausgaben) 10’643 Pfund. Pferde spielten in der Handelsstadt Basel als Reittiere für Händler, aber auch Söldner, und natürlich Ratsherren, Gesandte und Boten eine wichtige Rolle: in 75 Jahren nahm die Stadt aus dem Pferdeverkauf (Marstall) mit insgesamt gut 355 Pferden etwa 25’000 Pfund ein, pro Pferd also im Durchschnitt gut 70 Pfund. Unter diesen befanden sich u.a. vier blinde Pferde, 19 Wallache, 27 Rappen, 115 Braune, 15 Rotschimmel und 20 Schimmel. Für den Kauf von Pferden, die oft für Söldner bzw. Soldaten bestimmt waren, und für die damit verbundenen Unkosten gab die Stadt etwa 25 % mehr aus, als sie aus dem Verkauf erlöste. Insgesamt waren es 31’200 Pfund für 425 Pferde, durchschnittlich also gut 73 Pfund pro Pferd. Bei den eingekauften Pferden werden 15 Rappen, 16 Schimmel und 8 Rotschimmel, 88 Braune, 7 Wallache und 18 Hengste erwähnt. Und zehnmal wird explizit Frankfurt als Pferdemarkt genannt. Während Pferde in den Jahrrechnungen und entsprechend auch in der Stadt offensichtlich sehr präsent waren, wird nur ein einziges Mal ein (verrückter) Hund erwähnt, der zugebissen hatte und damit Heilungskosten verursachte. Und für 1560 erfahren wir, dass nicht nur die Brücke der Farnsburg ausgebessert worden war, sondern auch ein neuer Katzensteg gebaut wurde.

Dieser Beitrag stammt von Susanna Burghartz und Lukas Meili, Leiterin und Mitarbeitendem des Projekts Jahrrechnungen der Stadt Basel 1535 bis 1610 – digital. Für die Online-Edition der Basler Jahrrechnungen digitalisierte das Staatsarchiv die Jahrrechnungen.