Das Dilemma mit der Digitalisierung von Personenakten

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Digitalisierung, Magnet Basel, Projekt Sicherung & Nutzbarmachung

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Für die Ausstellung Magnet Basel hat das Staatsarchiv im Rahmen seines laufenden Digitalisierungsprojekts Sicherung und Nutzbarmachung Dutzende von Fremdenpolizeidossiers mit Hunderten von Seiten digitalisiert. Wer aber im Onlinekatalog nach den entsprechenden Digitalisaten sucht, stutzt: Gerade mal 4 Dossiers umfasst die Trefferliste. Warum sind nicht alle Dossiers, die digitalisiert wurden, für die Aufschaltung im Online-Katalog freigegeben?

Schutzfristen

Ausschlaggebend sind vor allem Datenschutz-Aspekte. Laut Archivgesetz sind archivierte Dokumente im Prinzip öffentlich zugänglich. Es gilt aber, die Rechte betroffener Personen und das öffentliche Interesse zu schützen. Deshalb gibt es sogenannte Schutzfristen: Archivgut ist erst benutzbar, wenn eine bestimmte Frist seit seiner Entstehung verstrichen ist. Eine generelle Schutzfrist von 30 Jahren gilt für alle Unterlagen, die ins Archiv gelangen. Ausgenommen sind Unterlagen, die schon zum Zeitpunkt ihrer Entstehung öffentlich zugänglich waren.

Für Personendaten sind zusätzlich besondere Schutzfristen festgelegt. Das betrifft z.B. Personalakten, Gerichtsakten, Unterlagen mit medizinischen Angaben oder eben Dossiers der Fremdenpolizei. Hier gelten folgende Schutzfristen (zusätzlich zu der allgemeinen 30-jährigen Schutzfrist):

  • 10 Jahre nach dem Tod der in den Unterlagen genannten Person
  • 100 Jahre nach Geburt, falls das Todesdatum unbekannt ist
  • 80 Jahre nach Aktenschluss, falls Geburts- und Todesdatum unbekannt sind.
Diese Schutzfristen gelten nicht nur für die direkt Betroffenen, sondern auch für in den Akten genannte Dritte (Beteiligte, Zeugen, Familienmitglieder). Diese haben ebenfalls das Recht darauf, dass ihre Persönlichkeitsrechte geschützt werden.

Abdecken geschützter Personendaten

Dossiers der Fremdenpolizei wurden demzufolge an der Ausstellung „Magnet Basel“ nur vollständig gezeigt,
  • wenn alle Personenangaben darin nicht mehr unter die Schutzfristen fallen
  • oder wenn die genannten Personen / ihre Nachkommen einer Veröffentlichung zustimmten.
In allen anderen Fällen muss das Staatsarchiv gemäss Archivgesetz Namen und Angaben zu Personen vor Veröffentlichung schützen. Dazu werden die entsprechenden Passagen in den Unterlagen mit schwarzen Balken abgedeckt. In besonderen Fällen können Unterlagen dennoch bereits vor Ablauf der Schutzfristen vollständig eingesehen werden:
  • bei Forschungsvorhaben, wo die Personendaten bei der Veröffentlichung anonymisiert werden
  • von direkt betroffenen Personen.

Authentizität und Vollständigkeit

Das Abdecken von Personendaten war in der Ausstellung möglich. Im Online-Archivkatalog können aber keine geschwärzten Akten-Digitalisate gezeigt werden. Analoge und digitale Information wären nicht mehr identisch, die digitale Version wäre nicht mehr integral. Dies gilt erst recht für jene Dossiers, die nur teilweise digitalisiert wurden, weil sie in der Ausstellung nur in Auszügen gezeigt werden sollten.
Zudem wäre es rein aufwandmässig nicht leistbar, die geschwärzten Dossiers permanent daraufhin zu kontrollieren, ob die Schutzfristen nun abgelaufen sind. Aus diesem Grund bleiben diese digitalisierten Akten mit laufenden Schutzfristen vorerst im digitalen Archiv, sozusagen in Warteposition. Die Digitalisierung macht dennoch Sinn. Die Dossiers können auf Anfrage hin (siehe oben) als digitale Version eingesehen werden, das analoge Original bleibt geschützt – was dem einem Ziel des Projekts Sicherung und Nutzbarmachung entspricht. Und auch für archivinterne Recherchen bringt die Digitalisierung grosse Erleichterungen – die Fremdenpolizeiakten des Staatsarchivs Basel-Stadt befinden sich aufgrund Platzmangel in einem Magazin am Stadtrand, was jeweils aufwändige Transportarbeiten mit sich bringt.