Dem Rätsel der Zeichen auf der Spur…

Diese Seite ausdrucken
Aus dem Lesesaal

Ein Beitrag von Aline Vonwiller

Klosterarchiv Klingental Q 1 S. 191

Das Eintauchen in die Archivbestände einer lang etablierten Institution aus dem späten Mittelalter kann zunächst überwältigend wirken. Die schiere Menge an Dokumenten ist beeindruckend und die Vielfalt der Handschriften macht das Entziffern zu einer Herausforderung. Nachdem die Texte endlich lesbar sind, bleibt die Aufgabe der Übersetzung, da die Sprache dieser Dokumente (Frühneuhochdeutsch) von unserer Sprache (Neuhochdeutsch) abweicht. Zum Glück gibt es Online-Handbücher und Lexika, die bei der Übersetzung helfen, damit wir die relevanten und interessanten Passagen in diesem riesigen Schatz an Material ausfindig machen können.

Im 15. Jahrhundert hatte das Kloster Klingental bereits über 200 Jahre Bestand. Die Masse an Urkunden – lose, einzelne Dokumente –, die es im Laufe seiner Existenz ansammelte, ist erschlagend. Die Urkunden und Bücher sind Spiegel für die ökonomische Tätigkeit des Konventes: Rechnungen, Abschriften gerichtlicher Dokumente, Protokolle zu Einkünften, Ausgaben, Schulden und Wertpapieren – die Liste ist lang. In den Schriften steckte derart viel ökonomischer Wert, dass nur wenige Dokumente abhandengekommen sind. Nicht zuletzt weil sie Informationen zu ökonomischem Kapital enthielten, überdauerten die meisten von ihnen ihre eigene Institution in einem hervorragenden Zustand. Das Kloster selbst wurde im Zuge der Reformation aufgelöst.

In der Blütezeit des Klosters empfanden ab einem bestimmten Zeitpunkt wohl auch die Nonnen die umfangreichen Stapel von einzelnen Urkunden als heilloses Durcheinander. Das Bedürfnis nach Übersicht war derart gross, dass im 15. Jahrhundert Ordnungsversuche unternommen wurden. Das Kloster begann damit, seine Bücher und Urkunden mit unterschiedlichen kleinen Zeichnungen oder Zeichen zu versehen. Diese nahmen verschiedene Formen an und sahen unterschiedlich aus – zum Beispiel so:

Und was hier wie ein gehässiger Wicht erscheint, ist vielleicht das Abbild eines Beamten, der eine sogenannte Gugel trägt. Die Gugel ist eine spitzige Mütze, die als Kopfbekleidung der Beamten beider Stände in Basel diente.

Einige der Zeichen bestanden auch aus Ziffern oder aus einer Kombination von Zeichnung und Ziffer. Wer bei der Recherche auf diese Zeichnungen oder Ziffern stösst und es sich zur Aufgabe macht, ihnen nachzugehen, bemerkt, dass sie verschiedene Arten von Dokumenten miteinander in Verbindung bringen.

So verbindet zum Beispiel eine Frühform der arabischen Ziffer 571 (das Zeichen, das aussieht, wie ein kleines h, ein umgekehrtes V und ein Kreuz) die Urkunde Nr. 1138 (Abbildung links) mit einem Eintrag im Zinsbuch A (Abbildung Mitte) und einem Eintrag im Zinsbuch Q (Abbildung rechts).

Die Verweiszeichen knüpfen somit ein umfangreiches und komplexes Netzwerk von Verbindungen. In diesem Netz wurden allem voran die Urkunden mit den Zinsbüchern verknüpft. Die Nonnen legten diese Zinsbücher an, um ihre in der Stadt befindlichen Liegenschaften besser verwalten zu können. Das Netz an Verbindungen, das sie mit diesen Zeichen erschufen, half ihnen dabei, diesem Unternehmen nachzugehen.

Werden die einzelnen Zeichen aus einem Buch extrahiert und aneinandergereiht, ergibt sich folgendes Bild:

(c) Aline Vonwiller

Gesucht sind nun diese Zeichen der Zinsbücher in den entsprechenden Urkunden, genauer auf deren Rückseite. Den Symbolen nachzujagen ist ein grosses Unterfangen, macht zugleich aber richtig Spass, denn die Erfolgsquote ist sehr hoch! Die Verbindung, die die Zeichen zwischen den Dokumenten herstellen, ist zudem historisch äusserst spannend, da sie verschiedene Facetten und Änderungen einzelner oder verschiedener Transaktionen aufzeigen können.

Vermutlich lassen sich die Zeichen auch in andern Teilen des Archivs ausserhalb des Klingentaler Materials wiederfinden. Wer Lust hat, beim Aufspüren der Zeichen mitzumachen, darf sich im Staatsarchiv oder bei Aline Vonwiller (siehe Link unten) melden.

Aline Vonwiller befasst sich in ihrer Forschung unter anderem mit dieser Un-, Um- und Ordnung des Archivs und der Aufschlüsselung verschiedener Zeichen des Klingentalklosters im 15. Jahrhundert. Fragen hinsichtlich der Klosterverwaltung sind Teil des gesamten Forschungsprojektes, das sich den ökonomischen Tätigkeiten des Klosters auf dem städtischen Liegenschaftsmarkt widmet. Die Tabelle, die die unterschiedlichen Dokumente anhand übereinstimmender Zeichen miteinander verbindet, wird nach Abschluss der Dissertation für die Öffentlichkeit aufbereitet und zur Verfügung gestellt.