Was bleibt, wenn Zeitzeuginnen nicht mehr für sich selber sprechen können? Texte und Bilder. Von den Bildern vor allem jene, die reproduziert, publiziert, öffentlich gemacht und damit überliefert wurden. Zum Beispiel die Bilder von Hans Bertolf. Geboren 1907, fotografierte er von 1940 bis zu seinem Tod 1976 als Pressefotograf hauptsächlich für die Basler ‹National-Zeitung› Persönlichkeiten und tagesaktuelle Ereignisse in Basel. In seinem fotografischen Nachlass, der heute im Staatsarchiv aufbewahrt wird, finden sich mehrere Bildserien, die anlässlich der Berichterstattung zum Frauenstimm- und -wahlrecht im Kanton Basel-Stadt entstanden sind. Insgesamt sind es fünfzehn Couverts mit Fotonegativen, welche Zeitungsartikel zu Abstimmungen, zu Wahlkampfaktivitäten, Protestaktionen wie den Fackelzügen, zum Einzug der ersten Parlamentarierinnen in den Grossen Rat, zur ersten Gemeindeversammlung in Bettingen unter Mitwirkung von Frauen etc. illustrierten. Davon publiziert wurde nur ein Bruchteil, nämlich 20 von insgesamt 133 Fotografien.
Geschichte im Zeitraffer
Die Titel, die Hans Bertolf seinen Fotoaufträgen gab, erzählen zusammen mit den Titeln und Bildunterschriften in der ‹National-Zeitung› sozusagen im Zeitraffer die Geschichte des Frauenstimm- und -wahlrechts von 1954 bis 1971. Wie sich Hans Bertolf selbst zum Frauenstimm- und -wahlrecht stellte, ist nicht bekannt. Überliefert ist aber, dass er seine Aufträge für die Redaktion nicht bei jedem Wetter gleichermassen begeistert ausführte. Nach dem gesamtschweizerischen Abstimmungserfolg 1971 wurde er mit zwei Journalisten von der Redaktion losgeschickt, um Stimmen von ‹normalen Frauen› einzufangen : «Wir zogen also in Richtung Marktplatz, in der einen Hand einen Schreibblock, in der andern den Kugelschreiber und zur Seite einen zeternden Hans Bertolf, der das Abstimmungsresultat samt Suffragetten und ‹gewöhnlichen› Frauen ins Pfefferland wünschte – ‹das haben wir nun davon!›, wetterte er. Solche Interviews seien eine Zumutung, ‹wenn einem die Nasenlöcher dabei zufrieren›.» (‹National- Zeitung›, 8. Februar 1971).
Ausschnitte und Zusammenhang
Was publiziert wird, ist immer das Resultat einer Selektion. Sie begann mit der Auswahl des Fotosujets durch den Fotografen Hans Bertolf. Die Zeitungsredaktion wählte danach aus den 133 Fotografien, die Bertolf geschossen hatte, aus und bestimmte den Ausschnitt. Rund fünfzig Jahre später wählten wir Autorinnen für die Jubiläumspublikation zum Frauenstimmrecht aus, was abgedruckt wird. Nach welchen Kriterien? Doppelte Sujets und unscharfe Bilder sind gängige Kriterien. Bildkomposition und Bildinhalte wären weitere. Wir haben versucht, diesen Fotografien, die hier in dieser Weise das erste Mal zusammenhängend abgebildet werden, eine Stimme zu geben, eine möglichst grosse Auswahl zu bieten und mit unserer Auswahl von 93 Bildern aus insgesamt 133 zumindest den Variantenreichtum nicht zu beschneiden. Die vollständigen Serien mit allen Bildern sind via Archivkatalog des Staatsarchivs einsehbar (Volltextsuche nach ‹Frauenstimmrecht›, in der Resultatliste die Ansicht ‹Bildliste› auswählen).
Bilder zum Jubiläum
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Buchartikel von Esther Baur und Sabine Strebel: 149 Fotos machen Geschichte. Zum Kampf um das Frauenstimmrecht von 1954 bis 1971.
Er ist enthalten in der Publikation: Georg Kreis (Hg.): Das Basler Frauenstimmrecht. Der lange Weg zur politischen Gleichberechtigung von 1966 (Beiträge zur Basler Geschichte), November 2016. 296 Seiten, 116 teils farbige Abbildungen, Klappenbroschur, 14,5 x 20 cm, ISBN 978-3-85616-818-6, CHF 34.00 / EUR 32,00.
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