Wer mag sich noch an das surrende Geräusch im Lesesaal des Archivs erinnern, wenn auf den Mikrofilmlesegeräten vorwärts und rückwärts gespult wurde? Diese Zeiten sind vorbei. Und kaum jemand wird dieser anstrengenden Informationssuche nachtrauern. Wie viel komfortabler ist es doch, ein Dokument im Positiv und in Farbe am Computerbildschirm zu lesen.
Mikrofilm-Lesegerät. Fotograf unbekannt (University of Haifa Younes & Soraya Nazarian Library), CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Common.
Zwei Funktionen, zwei Verfahren
Wenn man heute noch Mikrofilme herstellt, dann verfilmt man nicht mehr direkt mit der analogen Mikrofilmkamera. Mikroverfilmung ist heute in eine umfassende Strategie der Informations-Sicherung, -Überlieferung und -Vermittlung eingebunden. Der Mikrofilm wird ab digitalen Files ausbelichtet. Damit ist er zu einem Puzzlestein in einer digital geprägten Landschaft geworden. Das macht die Verfilmung sinnvoller denn je. Durch die Digitalisierung wird Zugang zu den Dokumenten geschaffen, die Originale werden geschont. Und mit dem Mikrofilm hat man ein etabliertes und stabiles Sicherungsmedium. In der Nutzung spielen die digitalen Bilddateien ihre Vorteile vollumfänglich aus: Die Schrift ist schärfer und die Farbe hilft beim Entziffern der Handschriften. Das alles bequem von zuhause aus.
Der digitale Herstellungsprozess führte zu einer idealen Entflechtung der funktionalen Eigenschaften: digital for access, microfilm for storage. Als Sicherungsmedium wartet der Mikrofilm mit Eigenschaften auf, die das Digitale auf’s Beste ergänzen. Er ist dauerhaft, gutmütig und verlangt nicht viel Pflege – eine shoot and forget-Methode, wie man sie sich im Zeitalter der Träger- und Formatobsoleszenz nur wünschen kann.
Doch nun zur Kernfrage: Wie viel lässt sich von den Mikrofilmen zurückgewinnen? Ist die Qualität ausreichend und der Arbeitsaufwand vertretbar? Der Rückgriff auf den Mikrofilm erfolgt nunmehr über Digitalisierung. Sogar für einzelne Konsultationen stellen Bibliotheken ihren BenutzerInnen Mikrofilmscanner im Lesesaal zur Verfügung.
Vergleichsbilder: Ausbelichteter Mikrofilm – Digitalisat (Vorlage für Mikroflim/Ausbelichtung).
Wieviel von der Bildinformation kann zurückgewonnen werden? Oder negativ formuliert: Wie gross ist der Verlust, wenn wir neu angefertigte, hochaufgelöste Bilddaten auf Mikrofilm schreiben (als Bild, nicht als Bitmuster) und zurücklesen? Diesen Verlust kann man wissenschaftlich bemessen – ein Aspekt, der im Hinblick auf das Ausbelichten von Daten intensiv beforscht wurde. Hier möchte ich aus einer archivischen Anwenderperspektive konkrete Beispiele vergleichen.
Doch damit wir nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, sei kurz auf die zwei Verfahren des Ausbelichtung hingewiesen. Beim sogenannten Display-Verfahren werden die digitalen Daten auf einem hochwertigen Bildschirm dargestellt und von einer Kamera abfotografiert. Beim Laserverfahren werden die Daten direkt mit einem Laserstrahl auf den Film aufbelichtet. Es liegt auf der Hand, dass die zweite Methode teurer ist und zu besseren Ergebnissen führt.
Vergleichsbilder: Links sieht man, was man zurückgewinnen kann, wenn man eine Laserausbelichtung zurückliest. Der Unterschied zum digitalen Bild, das als Quelle für die Ausbelichtung diente, ist selbst in der Grossansicht kaum zu erkennen. In diesem Fall wurde eine niedrig aufgelöste Bilddatei auf ein 35mm Frame ausbelichtet. Die Informationsdichte der Datei steht in einem solchen Verhältnis zur Fläche auf dem Film, dass das Bild beinahe verlustfrei zurückgelesen werden kann. Beim Beispiel oben mit dem Mann mit der Brille stand die Fläche des Mikrofilms in keinem guten Verhältnis zur Grösse der Bilddatei. Das Bild stammt von einem 18x13cm Glasnegativ, das mit einer Auflösung von 890ppi digitalisiert wurde und auf einem 35mm Frame ausbelichtet worden ist. Idealerweise würde man für solch hochauflösende Bilder eine Mikrofiche im Format A6 wählen, was allerdings sehr kostspielig wäre. Eine allgemeingültige Faustregel zur Berechnung der Formatverkleinerung ist mir keine bekannt. Man kennt zwar das Auflösungsvermögen des Microfilms und der Ausbelichtungsgeräte, aber die Qualität der Bildinformation muss immer über das gesamte System, also inklusive des Zurücklesens, beurteilt werden. Am besten führt man mit dem Anbieter eine Testreihe durch.
Wo liegen die Grenzen?
Ich wollte wissen, was der Mikrofilm an Auflösung hergibt und wie sehr sich die Bildinformation verkleinern lässt. Dazu liess ich eine Seite aus einem handgeschriebenen Rechnungsbuch mit unterschiedlichen Verkleinerungsfaktoren auf einem hochauflösenden Laserausbelichter ausbelichten. Die Seiten des Rechnungsbuches weisen starke Spuren eines Wasserschadens auf und die braune Schrift hebt sich auch im Original nicht gut vom braunen Papier ab. Im Sechsfach-Nesting wurden in einem 35mm Frame sechs A4+ Seiten untergebracht.
Schauen Sie sich die Grossansicht in voller Auflösung (ggf. mit Lupe im Browser) an: Rechts sehen Sie die Originaldatei in Graustufen umgewandelt, in der Mitte die formatfüllende Version aus dem Display-Verfahren und schliesslich links die 6er-Nesting Variante vom Laserausbelichter. Ich finde die Lesbarkeit der Schrift in beiden Versionen vergleichbar. Jede Technologie fügt dem Bild ihre je eigenen Artefakte hinzu.
Manchmal fügen sich diese Artefakte auf eine Weise ins Bild, dass sie dieses meines Erachtens gar nicht stören, wie man im Beispiel des Leoparden sehen kann. Das hinzugefügte Bildrauschen und der leicht erhöhte Kontrast wirken durchaus sehr fotografisch (Bild oben, Display-Verfahren), wohingegen das Laserverfahren (unten) zwar präziser, aber auch „etwas digital“ wirkt.
Fazit
Die Digitaltechnik hat den Mikrofilm in vielerlei Hinsicht aufgewertet. Die Schriftstücke sind auf dem Mikrofilm in sehr hoher Qualität gesichert. Die hohen Auflösungen der digitalen Aufnahmeverfahren spiegeln sich in der Qualität des Mikrofilms und dem Bild, das von diesem zurückgewonnen werden kann. Der Mikrofilm als zusätzliches Sicherungsmedium ergänzt das von Kurzlebigkeit geprägte Digitale und führt die Sicherungsprogramme, die seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts betrieben werden, nahtlos fort. Doch gleichzeitig verdrängt der digitale Technologiewandel den Mikrofilm. Zum absehbaren Tod des Mikrofilms plane ich einen Beitrag im neuen Jahr.
Zum Schluss noch ein Vergleich einer analogen verfilmten Akte (Mikrofilmkamera, links) mit einem Scan ab Original (Buchscanner, rechts). Lässt man die Farbe ausser Acht, so ist die Digitalisierung von Mikrofilmen durchaus eine Möglichkeit, Zugang zu den Dokumenten zu verschaffen.
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