Das 1872 von Ferdinand Schlöth geschaffene St. Jakobsdenkmal. Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1013 1-2535
Die längste Basler Strasse lag lange ausserhalb der Stadt. Sie führte vom Aeschentor nach St. Jakob an der Birs. Dort stand nicht nur das Siechenhaus, sondern auch eine Zollstation, da hier die Handelsstrasse über die Jurapässe den vielfach verästelten Fluss überquerte. Und natürlich war (und ist) St. Jakob der Schauplatz legendärer Schlachten. Mit dem Namen St. Jakob an der Birs ist die Erinnerung an die Schlacht von 1444 untrennbar verbunden. Es ist schwierig, sich ein sinnfreieres Gemetzel vorzustellen als das, welches sich eine Horde junger Eidgenossen mit dem Heer der Armagnaken lieferte. Entgegen ausdrücklicher Befehle hatten sie die Birs überschritten und sich auf eine Übermacht geworfen. Schon bald bildete sich der Mythos, das heldenhafte Opfer habe Basel und die Eidgenossenschaft gerettet. Er lebte, wie viele Schweizer Geschichtsmythen, im 19. Jahrhundert wieder auf.
Festumzug am St.Jakobsfest 1919. Rechts erkennt man das ehemalige Siechenhaus. Staatsarchiv Basel-Stadt, NEG 1340
Zelebriert wurde der Mythos in dem seit 1822 regelmässig stattfindenden St. Jakobfest. Dabei zog der Festzug vom St. Jakobsdenkmal vor dem Aeschentor die zweieinhalb Kilometer hinunter zum Schlachtfeld in der Brüglinger Ebene.
Das alte, 1824 eingeweihte St. Jakobsdenkmal und das Aeschentor. Aquarell von Johann Jakob Schneider, ca. 1860. Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Schn. 83
Die St. Jakobstrasse
Die Lage von St. Jakob, ca. 1750, nach Emanuel Büchel. Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Falk. D 14, 1
Diese Strasse ist sehr alt. Sie war einst eine wichtige überregionale Verkehrsachse. Es war die Hauensteinroute, die Basel mit dem schweizerischen Mittelland verband. Bei St. Jakob überquerte sie auf Stegen und durch Furten die vielfach verästelte Birs. Hier stand schon sehr früh, vermutlich im 11. Jahrhundert, eine kleine Kapelle. Nicht zufällig war sie dem Heiligen Jakob geweiht, war dieser doch Schutzpatron der Reisenden und der Pilger. Nachdem der Basler Rat 1295 die Furtrechte übernommen hatte, liess er neben der Brücke über dem St. Albanteich ein Zollhaus erstellen. Dieses steht, mehrfach umgebaut, noch heute: das Wirtshaus St. Jakob.
Die Siechenhäuser
Siegel von St. Jakob 1319, abgezeichnet durch Emanuel Büchel. Staatsarchiv Basel-Stadt, Falk. Fa 5, 6c
Die Abbildung zeigt das Siegel von St. Jakob von 1319: eine Hand mit einer Holzklapper. Mit solchen Klappern mussten Aussätzige (Leprakranke) alle diejenigen, die sich ihnen näherten, vor ihrer Krankheit warnen. Die sogenannten Siechen wurden aus der Gesellschaft ausgestossen und in speziellen Häausern untergebracht. Die ersten Siechenhäuser Basels standen am Fuss des Leonhardsbergs und in der Malzgasse (von Malezei, einem anderen Wort für den Aussatz). In der Mitte des 13. Jahrhunderts wurden diese aufgehoben und man erstellte bei St. Jakob eine neue städtische Quarantänesiedlung. Dabei wurde auch die alte Wegkapelle durch eine neue Kirche ersetzt. Nach dem Rückgang der Lepra im 16. Jahrhundert wurde die Quarantänesiedlung aufgehoben.
Die Birskorrektur
St. Jakob um 1750, Federzeichnung von Emanuel Büchel. Staatsarchiv Basel-Stadt, Falk. Fb 3,17.
Mehrfach wurden die Siechenhäuser und die Kirche von Hochwassern schwer geschädigt. Denn die Brüglinger Ebene gehört zum natürlichen Schwemmland des Birs. Hochwasser rissen auch regelmässig die Stege über den Fluss weg. Erst zwischen 1814 und 1823 wurde der Birs kanalisiert. Damals gehörte die Brüglinger Ebene schon dem Basler Handelsherrn Christoph Merian senior, der das Gebiet 1811 erworben hatte und 1824 seinem gleichnamigen Sohn als Hochzeitsgeschenk übergab. Dieser verwandelte bekanntlich sein riesiges Vermögen in eine Stiftung und hinterliess es testamentarisch der Stadt Basel. Die Christoph Merian Stiftung hat in der Folge immer wieder Land abgetreten: an die Eisenbahn etwa, vor allem aber für den Bau von Sportanlagen.
Das Stadion St. Jakob
Das St. Jakobs-Stadion 1954. Staatsarchiv Basel-Stadt, BALAIR 5425
In den 1930er-Jahren etablierte sich der Sport zunehmend als wichtiges Element der Sozialisierung. Entsprechend investierte die Regierung in dieser Zeit massiv in öffentliche Sportanlagen wie die Kunsteisbahn oder das Eglisee-Schwimmbad. Es gab auch Pläne, bei St. Jakob ein Fussballstadion zu errichten, das mit den Mitteln des Arbeitsrappens finanziert werden sollte. 1937 begannen die Arbeiten: Der Boden wurde planiert und Erdrampen für die Tribünen aufgeschüttet. Doch dann wurde während des II. Weltkrieges der Beton rationiert. Die Arbeiten mussten eingestellt werden. Erst 1952 kam wieder Bewegung in die Sache. Nachdem ein Baukredit der Regierung vom Stimmvolk abgelehnt worden war, erstellte eine private Stadiongenossenschaft innert Kürze das Stadion, das zwei Monate vor der Fussballweltmeisterschaft mit dem Länderspiel Schweiz – Deutschland feierlich eröffnet werden konnte.
2001 wich das alte «Joggeli» dem St. Jakob-Park. Zu dieser Zeit setzte auch der (anhaltende) Höhenflug des FC Basel ein, dessen Tore, einer Vereinshymne zufolge, ein «zweites St. Jakobfest» sind: «Los wie d Füürweer ab durch d Latte, schnäller als der Beatle Best, jedes Gool vom FC Basel, isch e zweits St. Jakobsfest». Und von Zeit zu Zeit wird das Fest von Hooligans gestört, die sich, alkohol- und testosterongeladen, ähnlich sinnvolle Schlachten liefern wie ihre Vorfahren von 1444.
Ein Beitrag von Peter Habicht im Rahmen der Serie Strassengeschichten.
Neueste Kommentare