Wie war das möglich? Zur Geschichte des Staatsschutzes anhand von Archivquellen

Diese Seite ausdrucken
Datenschutz

«Die Fichenaffäre von 1989 erschütterte die Schweiz – wenigstens für einen kurzen Augenblick», schreibt der Historiker und Journalist Phlipp Loser. Und stellt leicht resigniert fest: Im Zeitalter von Facebook und Google interessiert es kaum mehr, dass einst von staatlicher Seite systematisch Grundrechte verletzt wurden.

Wie das (in Basel) möglich war, ist in den Akten des Spezialdienstes, einer Abteilung der Kantonspolizei Basel-Stadt, dokumentiert. Anhand dieser Unterlagen hat der Historiker Philipp Loser in seiner Lizentiatsarbeit ein Fallbeispiel untersucht. Es geht um die Überwachung der POCH, der Progressiven Organisationen der Schweiz, zwischen 1970 und 1989.

Abhöranlage des Spezialdienstes, ca. 1954. Staatsarchiv Basel-Stadt, PD-REG 5a 108-4-1 5.

Dokumentation der Willkür

Zwanzig Jahre lang dauerte die Überwachung der POCH durch den Basler Staatsschutz. Die Unterlagen im Staatsarchiv dokumentieren, wie eine legale politische Partei bespitzelt wurde. Anders als bei der Partei der Arbeit (vgl. die Abhöranlage auf dem Foto) griff der Spezialdienst bei der POCH allerdings zu drei Vierteln auf publizierte Quellen zurück. Nur selten kam es zu verdeckten Ermittlungen. Insgesamt zeichnet die Studie ein plastisches Bild, wie die Staatsbehörde aufgrund pauschaler Bedrohungsszenarien in die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern eingriff.

 

Offene Geheimnisse

Die Akten des Spezialdienstes wurden 1990 aufgrund einer Verfügung der Prüfungskommission des Grossen Rates über die Wahrnehmung von Staatsschutzaufgaben im Kanton Basel-Stadt amtlich versiegelt und dem Staatsarchiv zur Aufbewahrung übergeben. Sie waren bis 2012 für sämtliche Benutzung gesperrt. Heute sind sie wie alle anderen Akten für die Öffentlichkeit einsehbar. Es gilt eine Schutzfrist von 30 Jahren. Und weil die bespitzelten Personen ein Recht auf Personenschutz haben, muss jeweils abgeklärt werden, welche datenschützerischen Auflagen bei der Einsicht und Publikation zu beachten sind. Für Forschungszwecke kann eine Unterschreitung dieser Schutzfristen vereinbart werden, unter Wahrung strikter Anonymität. Unterlagen wie die oben abgebildete Fotografie sind also frei zur Einsicht. Und so beugten sich jüngst am alljährlichen Medienapéro des Büros des Grossen Rates Medienvertreter interessiert über die Staatsschutzakten, die ihnen Staatsarchivarin Esther Baur präsentierte.