Was macht das Archiv aus? Ganz einfach gesagt: Ordnung. Es ordnet die historisch überlieferten Unterlagen, so dass deren Entstehung nachvollziehbar und ihr Inhalt verständlich wird. Und es widerspiegelt die zeitgenössischen Ordnungen der Welt. Dem geht die künstlerische Intervention von Nika Timashkova und Anna Byskov nach. Vom 1. Dezember 2023 bis zum 26. Januar 2024 hinterfragen sie mit kleinen Objektinstallationen im Staatsarchiv die Entstehung von «Typen», in der Kriminalfotografie wie in der Beschäftigung mit antiken Statuen. Diese historischen Entwicklungen bergen interessante Fragen und aktuelle Bezüge, die von den beiden Künstlerinnen thematisiert werden.
Vermessen und Erfassen
Ausgangspunkt der künstlerischen Intervention sind zwei Aktenbestände des Staatsarchivs Basel-Stadt: der Nachlass des Weltreisenden / Antikenliebhabers René Clavel (1886–1969) und Verbrecheralben der Basler Polizei (1874–1902). In beiden Beständen zeigt sich der Einfluss der Phrenologie. Diese damals weit verbreitete Lehre formulierte einen Zusammenhang zwischen der Schädelform und dem Charakter eines Menschen. René Clavel war fasziniert von den phrenologischen Lehren, studierte akribisch Bücher und beschäftigte sich mit den perfekten Körpern römischer Statuen. Auch auf die Kriminologie hatte die Phrenologie Einfluss. Es wurden Vermessungstechniken und strenge Vorgaben zur fotografischen Erfassung von Verdächtigen entwickelt. Die Täterbeschreibung umfasste in der Folge die körperlichen Merkmale der Täter sowie ein Foto im Profil und en face. Aus der Sammlung einzelner Fotos entstand gleichsam eine Typologie des Kriminellen. Die Kriminalfotografie setzte damit buchstäblich andere Massstäbe als die bürgerliche Fotografie.
Künstlerischer Kontrast
Dem historischen Streben nach Perfektion und Authentizität setzen die beiden Künstlerinnen nun Verfahren der Imitation, Doppelung und Ambiguität entgegen. Die im Archiv überlieferten Ideale und Typen werden verfremdet und hinterfragt. Die Archivdokumente definierten Umrisse, Konturen und Profile von Personen. Die künstlerische Intervention nimmt dies als Vorgehensweise auf. Doch im Gegensatz zur typologischen Normierung, die strenge Präzision und Exaktheit verlangt, wenden sich die Künstlerinnen der Ungenauigkeit zu. Sie arbeiten bewusst mit Techniken und Materialien, die sie nie zuvor verwendet haben. So entsteht eine Sammlung unterschiedlichster Herangehensweisen, die sich der Rationalisierung und Standardisierung entzieht. Die Intervention schafft auf poetische Weise ein alternatives Archiv von Typen, das mit eigenen Kategorien die bestehende Ordnung und Kategorisierung im Staatsarchiv in Frage stellt.
Öffnungszeiten
Die künstlerische Intervention kann vom 1. Dezember 2023 bis zum 26. Januar 2024 im Staatsarchiv Basel-Stadt an der Martinsgasse 2 besichtigt werden (Di-Fr 9–18 Uhr). Eintritt frei.
Vernissage: 1. Dezember 2023, 19.30 Uhr
Artist Talk: 18. Dezember 2023, 19.30 Uhr
Öffentliche Führungen mit den Künstlerinnen: am 12. und 18. Dezember 2023, am 11. und 26. Januar 2024, jeweils 18.30 Uhr.
Performance: 19. Januar 2024 (Museumsnacht)
Bitte nehmen Sie Rücksicht auf den Lesesaalbetrieb und nutzen Sie das Führungsangebot.
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