Nächtliche Begleiter anno 1911

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Allgemein, Aus dem Lesesaal

Am 25. Juni 1911 schrieb Polizeiinspektor Müller an den Strafgerichtspräsidenten Dr. Hübscher Folgendes:

„Ihre gestrige Zuschrift bezüglich der Polizeihunde berührt mich so eigentümlich, dass ich nicht unterlassen kann, Ihnen meine in dieser Richtung ganz abweichende Ansicht mitzuteilen.

Wie Ihnen bekannt ist, hat der Regierungsrat vor ca. zwei Jahren beschlossen, mit vorläufig fünf Hunden Versuche darüber anzustellen, ob Polizeihunde als Begleiter der Nachtpatrouillen nicht die Schutzmänner ersetzen könnten. Die Auflösung des Schutzmännerkorps ist vom Grossen Rat bereits beschlossen; will man die abgehenden Schutzmänner durch Polizisten ersetzen, so gibt das ein sehr kostspieliges Experiment. Ersetzt dagegen der Hund als Begleiter den Schutzmann, so verringert sich das Budget des Polizeikorps um fast 100’000 Franken.

Diese Versuche müssen aber zum vornherein negativ ausfallen, wenn sich der Polizeigerichtspräsident auf den Standpunkt stellt, die Polizeihunde dürfen wohl eingeführt und nachts mitgenommen werden, aber nur gegen Verbrecher verwendet werden! Dann verzichten wir natürlich auf Hunde, weil von den Nachtpatrouillen eigentliche Verbrecher wunderselten begegnet wurden.

Was der Schutzmann, oder nun den Polizeihund, für uns nötig macht, das sind jene betrunkenen Radaubrüder, die der Polizei erst Grobheiten machen, dann entweder nach allen Richtungen davon laufen oder Widerstand leisten und es zum Schluss verstehen, mit fadenscheinigen Ausreden und einer allfällig zerrissenen Hose gar das „Gruseln“ des Polizeigerichtspräsidenten zu erregen!

Unsere Hunde beissen nicht, wenn nicht mit Stöcken oder Fusstritten gegen sie vorgegangen wird, und wer gegen den Polizeihund haut, der würde auch gegen den Polizisten hauen, wenn dieser zur Stelle wäre! Die Polizisten mussten bis jetzt allen Schaden, welcher durch Beissen ihrer Hunde verursacht wurde, aus der eigenen Tasche bezahlen, nur damit sie veranlasst werden, nicht voreilig den Hund loszulassen. Dagegen muss ich bestreiten, dass die „Diensterschwerungen“, welche in den zwei letzten Fällen eingeklagt wurden, von der Mitwirkung der Hunde provoziert worden seien. Meiner Ansicht nach liegt die Diensterschwerung schon vor, wenn angehaltene Radaumacher ausreissen; durch den Hund konnten sie dem Richter überliefert werden, und die Aussicht auf Bestrafung macht dann die Burschen rabiat, weniger der Hund.

Ich würde Ihre Zuschrift dem Regierungsrat zur Aufstellung einer schützenden Verordnung zustellen, wenn die Versuche mit den Hunden abgeschlossen wären. Da aber nicht feststeht, ob wir sie wieder abschaffen, oder nicht, so scheint mir die bezügliche Verordnung verfrüht. Es ist mir übrigens ganz angenehm, das Institut der Polizeihunde auch von der ungünstigen Kehrseite kennen zu lernen.

Vorschriften über den Gebrauch der Hunde existieren bis jetzt nicht.

Der Polizeiinspektor Müller“

Mehr zur Basler Polizeigeschichte

Dieser Beitrag stammt von Robert Heuss, ehemaliger stellvertretender Polizeikommandant und späterer Staatsschreiber. Auf die Hundegeschichte stiess er bei seinen Archivrecherchen für die 2016 erscheinende Publikation zur Basler Polizeigeschichte 1816-2016.