Was hat eine Basler Mumie mit dem britischen Premierminister gemeinsam? Wie helfen historische Hochwasserdaten beim Verständnis des Klimawandels? Und warum interessiert sich ein Naturhistorisches Museum für die Tagebücher eines Polarforschers? Solchen Fragen geht die infoclio-Tagung «Archive der Umwelt. Naturwissenschaften und Geschichte» am 23. November 2018 in Bern nach.
Basler Kooperationen
In Basel stellt man solche Fragen schon seit längerem – und nutzt für die Beantwortung das einzigartige doppelte Potential, das in den Sammlungen des Naturhistorischen Museums Basel und in den Magazinen des Staatsarchivs Basel-Stadt steckt. Zum Beispiel bei der Untersuchung der sogenannten Barfüsser-Mumie, die – dank Nachweis aus Beerdigungsregistern und DNA-Probe – tatsächlich als Vorfahrin von Boris Johnson identifiziert werden konnte. Zum Beispiel bei der Rekonstruktion der Lebensverhältnisse der Basler Unterschicht im 19. Jahrhundert – anhand von Krankenakten und Skelettbefunden. Zum Beispiel bei Forschungsprojekten von Klimahistorikern über Rheinhochwasser. Oder zum Beispiel bei der Fotoausstellung «Xavier Mertz – Verschollen in der Antarktis», die im Naturhistorischen Museum parallel zur Nacherzählung dieser tragisch verlaufenden Polareexpedition (basierend auf Archiv-Dokumenten) präsentiert wurde.
Das Naturhistorische Museum Basel und das Staatsarchiv Basel-Stadt zeigen so exemplarisch, wie spannend, vielfältig und aufschlussreich die Verbindungen zwischen Natur- und Kulturgeschichte sind. Dazu meint Basil Thüring, Co-Direktor des Museums: «Die Verknüpfung von Quellen und Skelettfunden ist ein unglaublich wichtiger Schritt – das ist nur möglich durch das konsequente Bewahren und Erforschen in Archiven. Ohne diese beiden Seiten, Archiv und Museum, wüssten wir weniger über die Lebensverhältnisse im 19. Jahrhundert in Basel.» Für das Museum gelte: «Jeder Fund braucht einen Befund – viele wichtige Informationen finden wir im Staatsarchiv Basel-Stadt. In Archiven und Naturwissenschaftlichen Museen liegen noch viele wertvolle Informationen verborgen. Mit moderne Methoden wie Citizen Science, Data Mining, DNA Sequencing, Isotopoen-Analysen gewinnen wir immer mehr wichtiges Wissen und Erkenntnisse.» Wissen aus den Archiven trage viel zu aktuellen Fragestellungen bei: «Für die Naturwissenschaftliche Forschung werden historische Quellen immer wichtiger. Die Erkenntnisse aus den Archiven helfen uns, Prozesse in der historischen Zeit zu verstehen. Das ist in der heutigen Zeit besonders wichtig, da der rasche Wandel auf der Erde, z. B. Klimawandel, Urbanisierung, Verschmutzung etc., einen neuen Blick benötigt.»
Und Esther Baur, Leiterin des Staatsarchivs, ergänzt: «Forschende sind heutzutage keine Einzelkämpfende mehr – Teamarbeit und Vernetzung über die institutionellen Grenzen hinaus sind das Gebot der Stunde. Dank der Digitalisierung werden Informationen einfacher zugänglich. Ihre Erhebung und Auswertung erfordert allerdings auch neue Kompetenzen und neue Formen der Zusammenarbeit. Gerade serielle Daten wie Klimaaufzeichnungen, Bevölkerungsverschiebungen oder Ernährungsverhalten lassen sich aus den Akten des Archivs extrahieren. Zum Beispiel bieten Wohnraumenquêten, Bevölkerungszählungen, Finanz- und Steuerdaten oder polizeiliche Melderegister verschiedenster Art, wie sie im Archiv überliefert sind, ein unglaubliches Potenzial für interdisziplinäre Zusammenarbeit. Für Archive ist open data zunehmend Selbstverständlichkeit – und Voraussetzung für open science. Inklusive Datenschutz, wenn es um Personendaten geht, natürlich.» Konkret heisse das z.B.: «Historische Kirchenbücher erzählen lehrreich und beispielhaft, wie sich städtischer Raum entfaltet und verändert. Ausgehend von einem konkreten Ort lassen sich die Bewegungen von Stadtbewohnenden nachvollziehen und mit anderen Daten kombinieren. Dazu braucht es dann auch historische Daten aus der naturwissenschaftlichen Forschung. So begreift man, wie Umweltbedingungen, Sozialpolitik und Mentalitäten zusammen die Stadt formten.»
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