Basler Geschichte(n) aus dem Taufbuch

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Anlässe

Ein Auszug aus dem Taufregister, auf dem Basilius Amerbach zweimal als Pate erscheint. © The British Library, London (Egerton MS 1927: Folio 154v).

In der St. Theodors-Kirche in Basel wird in einer Ausstellung ein einzigartiger kulturgeschichtlicher Schatz lesbar gemacht: die Taufbücher St. Theodor (1490-1737).

Am Mittwoch, 20. Juni, findet die Vernissage (18 Uhr, St. Theodor, Theodorskirchplatz 5, 4058 Basel) statt.

Das Projekt wird von der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Kleinbasel in Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv Basel-Stadt und der British Library, London, getragen. Ausstellungskuratorin Barbara Piatti veranschaulicht in diesem Beitrag, was für Geschichten in diesen beiden Bänden zu entdecken sind.

Eine Basler Patin mit ihrem Patenkind auf dem Arm. Hans Heinrich Glaser (1624). Historisches Museum Basel, Foto: N. Jansen.

Matthäus Merian der Ältere als Täufling, Basilius Amerbach als „Götti“ – Erstaunliches ist in den beiden Taufbüchern zu St. Theodor zu entdecken! Von 1490 bis 1737 entstanden, sind sie die ältesten erhaltenen Taufregister im deutschsprachigen Raum. Dieser einzigartige kulturgeschichtliche Schatz wird in einer neu konzipierten Ausstellung am Entstehungsort St. Theodor zugänglich gemacht. Band 1 (1490–1625) und Band 2 (1626–1737) umfassen insgesamt 1700 Seiten mit Taufeinträgen, Registern und Kommentaren von unterschiedlichen Schreibern. Sie erzählen über mehrere Jahrhunderte eine ganz eigene Geschichte (Klein)Basels. In ihnen finden sich Spuren von Schicksalsjahren (Reformation, Pestwellen, Dreissigjähriger Krieg), Hinweise auf das produktive Nebeneinander von Kirche und Universität und aufschlussreiche Details zum religiösen Leben.

Basilius Amerbach – ein berühmter Götti

Hans Bock d. Ä.: Bildnis des Basilius Amerbach (1591). Kunstmuseum Basel, Sammlung Online.

Basilius Amerbach (1533-1591), Jurist und Kunstsammler, wurde selbst 1533 in St. Theodor getauft. Ihm verdankt die Stadt Basel das Amerbach-Kabinett mit Gemälden Alter Meister, die den Grundstock für die heute weltberühmte Sammlung des Kunstmuseums bilden. Wohnhaft in der Rheingasse 23, lässt sich das kleinbaslerisch-nachbarschaftliche Geflecht an Basilius’ sozialem und kirchlichem Engagement ablesen. Nach dem frühen Tod seines Söhnchens Bonifaciolus und seiner Gattin Esther sollte Basilius keine eigenen Kinder mehr haben. Die Einträge im Taufbuch lassen sich aber als Zeugnisse seines Pflichtgefühls und vielleicht auch seiner Zuneigung zu jüngeren Generationen lesen: Er ist dort mehrfach als „Götti“ verzeichnet. Dabei übernimmt Basilius nicht nur Patenschaften von Kindern aus einflussreichen Familien. Zu seinen Patenkindern zählen auch Sprösslinge von Rebmännern, Hirtenknechten, Taunern und Tischlern. Sein Haushaltsbuch gibt Einblick in die Kosten der Taufe. Meist übernahm er das „Eingebinde“ – ein Geld- oder Schmuckgeschenk, eingebunden in den Wickelstoff des Täuflings. Unter dem Datum 12. August 1561 ist zum Beispiel zu lesen: „als ich einer armen froweb, so vf der stegen sitzt vnd deren mann nit hie ist, ein kint vss der tauf ghebt, hab ich einbunden“. Am 14. November desselben Jahres hat er „dem Schulmeister zu S. Joder [St. Theodor] ein kint vss der tauf gehebt vnd inbunden“.

Es ist belegt, dass schon Basilius Amerbach seinen Patenkindern Taufpfennige und Medaillen « einband ». Das Bild zeigt ein späteres Beispiel, einen frühbarocken Basler Taufpfennig (1692). Historisches Museum Basel, Foto: A. Seiler.

Matthäus Merian – ein berühmter Täufling

Matthäus Merians Basler Vogelschauplan von 1617 (Ausschnitt). St. Theodor in der Bildmitte, direkt an der Stadtmauer. Kunstmuseum Basel, Sammlung Online.

Einige Täuflinge sollten im späteren Leben zu grosser Berühmtheit gelangen, darunter Matthäus Merian der Ältere (1593-1650), Sohn eines Sägers. Der Taufbuch-Eintrag aus dem Jahr 1593 lautet: „Item den 25. Septemb. Walter Mörian dem Seger eins heist Matheus, Gevettern Marx Huber, Jacob Algower, Esther Wißenen.“ Mit nur 23 Jahren setzte der junge Kupferstecher und Radierer seiner Geburtsstadt ein Denkmal: Er schuf einen Vogelschauplan (1615/1617), heute schlicht „Merian-Plan“ genannt, auf dem ein Ideal-Basel in Hunderten von Details festgehalten ist. Auch Merians Taufkirche St. Theodor ist Teil davon. 1621 liess er dort seinen Sohn, Matthäus Merian den Jüngeren, taufen.

Originale in London, Kopien in Basel

Die Originale der beiden Register liegen heute in der British Library in London. 1861 wurden sie aus dem Nachlass des Pfarrhelfers Johann Jakob von Brunn verkauft. Offenbar ahnte damals niemand, welche Schätze sich zwischen den ledernen Einbänden verbargen. So gelangten die beiden Handschriften über einen Pariser Händler ins British Museum. Basel unternahm mehrere Rückholversuche – alle sind gescheitert, obwohl selbst der Bundesrat und der Schweizer Botschafter in London sich einsetzten. 1998 wurden die Taufbücher in die British Library eingegliedert. 2015 gelang es durch eine private Initiative und in enger Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv Basel-Stadt, qualitativ hochwertige Kopien zu erstellen. Kunstvoll gebunden werden sie zusammen mit den Digitalisaten seit 2018 an ihrem Entstehungsort, St. Theodor, präsentiert.

Die Ausstellung

 

Links zu den Digitalisaten

Die vollständigen Inhalte können über den Manuscript Viewer der British Library abgerufen werden:

Band 1: http://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx?ref=egerton_ms_1927_fs001ar

Band 2: http://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx?ref=egerton_ms_1928_fs001r