Krieg und Frieden – Nietzsche in Basel

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Digitalisierung, Projekt Sicherung & Nutzbarmachung

Gesuch Friedrich Nietzsches um Freistellung zum Kriegsdienst, 8. August 1870. Staatsarchiv Basel-Stadt, Erziehung X 14a 7 77

Als 24-Jähriger kam Friedrich Nietzsche 1869 nach Basel, frisch berufen als Professor für klassische Philologie. Die Umstände seiner Berufung sind in einem Dossier dokumentiert, das sich im Staatsarchiv befindet – und seit kurzem auch online einsehbar ist. Digitalisiert wurde es im Rahmen des Projekts Sicherung & Nutzbarmachung.

In diesem Dossier befinden sich auch einige Briefe Nietzsches, die Auskunft über sein Verhältnis zu Deutschland geben. 1869, nach seiner bestätigten Berufung, schrieb er an das Erziehungscollegium:

„Schliesslich werde ich doch meine preussische Heimathberechtigung aufgeben müssen. Denn gesetzt auch, dass ich bei Einberufungen zum Waffendienst im Frieden jederzeit mit Erfolg reklamieren kann, so ist doch gegen die fatale Möglichkeit eines  Krieges kein Kraut gewachsen; ich würde unwiderruflich als reitender Artillerist eingezogen werden. Unter diesen Verhältnissen halte ich es der Basler Universität gegenüber für meine Pflicht, meine Thätigkeit an derselben nicht von Krieg und Frieden abhängig zu machen.“

Das entsprach den Wünschen und der Praxis der Basler Behörden: Ausländische Professoren sollten ihre Staatszugehörigkeit bei einer Berufung nach Basel aufgeben. Derart heimatlos geworden, konnten sie später aufgrund ihrer Verdienste in das Basler Bürgerrecht aufgenommen werden. Nietzsche beantragte in der Folge die Entlassung aus dem preussischen Staatsverband, die ihm gewährt wurde, und war ab April 1869 heimat- respektive staatenlos. Auch wenn er sich später selbst als Schweizer Professor bezeichnete, erwarb er nie die schweizerische Staatszugehörigkeit.

Kriegsdienst

Als nun im Juli 1870 der deutsch-französische Krieg ausbrach, zog es den geborenen Preussen stark zu seinem ehemaligen Vaterland. So schrieb er im August 1870 an Ratsherrn Vischer:

„In der gegenwärtigen Lage Deutschlands darf Ihnen mein Entschluss nicht unerwartet sein, dass auch ich meinen Pflichten gegen das Vaterland zu genügen suche. In dieser Absicht wende ich mich an Sie, um mir – durch Ihre Fürsprache bei dem wohllöbl. Erziehungscollegium – Urlaub für den letzten Theil des Sommersemesters zu erbitten. Mein Befinden ist jetzt derart gekräftigt, dass ich ohne jede Bedenklichkeit als Soldat oder als Krankenpfleger mich nützlich machen kann. Dass ich aber auch das geringe Scherflein meiner persönlichen Leistungsfähigkeit in den Opferkasten des Vaterlandes werfen muss, das wird niemand so natürlich und billigenswerth finden als gerade eine schweizerische Erziehungsbehörde. Wenn ich mir auch bewusst bin, welcher Kreis von Pflichten in Basel von mir auszufüllen ist, so könnte ich mich – bei dem ungeheuren Rufe Deutschlands, dass Jeder seine deutsche Pflicht thue – doch nur mit peinlichem Zwange und ohne wirklichen Nutzen in ihrem Banne festhalten lassen.“

Der Urlaub wurde ihm auch gewährt, allerdings nur als Krankenwärter. Im Oktober 1870 kehrte Nietzsche dann an die Universität Basel zurück. Und schon bald wurde seine patriotische Begeisterung gegenüber dem deutschen Vaterland abgelöst durch eine zunehmend kritische Haltung.

1879 verliess Nietzsche die Universität Basel auf eigenen Wunsch. Nach Basel kehrte er erst 1889 zurück, als er nach seinem Zusammenbruch vorübergehend in die Heilanstalt Friedmatt eingewiesen wurde. Unterlagen zu diesem Klinikaufenthalt finden sich sowohl im Bestand Erziehung wie in einer Ablieferung der Psychiatrischen Klinik.