Johann Peter Hebel – gegen eine NS-Vereinnahmung

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Allgemein, Aus dem Lesesaal

National Zeitung 18.5.1933

National-Zeitung vom 18. Mai 1933. Ein Fund nach 83 Jahren … Ulrich Tromm, einstiger Geschichts- und Englischlehrer, forscht im Staatsarchiv über die regionale Geschichte des Nationalsozialismus. Und stiess dabei zusammen mit Friedrich Vortisch auf eine Überraschung: Dessen Vater, Regimekritiker Friedrich Vortisch (senior) aus Lörrach hatte sich nicht nur im privaten Rahmen, sondern auch in einer Basler Zeitung gegen den Nationalsozialismus geäussert. Von Ulrich Tromm stammt der folgende Text.

Ein besonderes Hebelmähli

Das sogenannte Hebelmähli war ein Festakt anlässlich des Geburtstags von Johann Peter Hebel. Er fand traditionsgemäß im Gasthaus zur Linde im Örtchen Hausen im Wiesental statt und wurde von Festreden umrankt. So auch am 8. Mai 1933, und auch da als nach wie vor länderübergreifendes Kulturereignis unter starker schweizerischer Beteiligung. Einem besonders aufmerksamen Lörracher Zuhörer, dem Rechtsanwalt und Überzeugungsliberalen Friedrich Vortisch entgingen die Versuche, den Dichter für die nationalsozialistische Ideologie zu vereinnahmen, allerdings nicht.

Sein Sohn, Dr. Friedrich Vortisch (junior), fand jetzt in der National Zeitung vom 18. Mai 1933 den Bericht seines Vaters, wenngleich aus Vorsichtsgründen nicht namentlich gezeichnet. An der Autorenschaft besteht kein Zweifel. Vortisch junior zog die Textvorlage aus seinem Privatarchiv zum Vergleich heran:

„In die festliche Stimmung des Hebelmähli brachten diesmal einen ungewohnten Klang die in Ausführungen des Herrn Professor Ludin, Vertreters des Bürgermeisters der Stadt Freiburg und Vaters des nationalsozialistischen badischen SA-Gauleiters. Aus dem Gedicht von Karfunkel und dem Statthalter von Schopfheim glaubte der Redner den Schluss ziehen zu können, dass auch Hebel sich heute auf den Boden der nationalsozialistischen Partei stellen würde ….“. Die Überschrift – „Gleichschaltung Johann Peter Hebels“ – fiel dem Redaktionsstift zum Opfer.

Dass ein ebensolcher Artikel seines Vaters in der National Zeitung in Basel erschienen sein musste, war Vortisch (junior) seit der Transkription der in Basel verfassten Briefe seines Vaters an dessen Bruder Hans in Argentinien klar. Im zweiten Brief aus der Sammlung der Briefe, die Vortisch 2002 ediert und herausgegeben hat, finden sich noch weitaus deutlichere kritische Töne sowie der Hinweis: „Ich habe … in dem in der Nationalzeitung erschienenen Artikel – Gedanken zum Hebelmähli – das Nötige bemerkt.“

Die Sammlung der Berichte zur Situation in Lörrach und der Grenzregion, erschienen in der Zeitschrift „Badische Heimat“ unter dem Titel „Briefe der Brüder aus den Jahren 1933-1940“, liegt jetzt im Basler Staatsarchiv vor.

Eine weitere Momentaufnahme über Friedrich Vortisch aus dem Jahr 1933 erschien in der Badischen Zeitung Lörrach.