Porträts der befragten Frauen. Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1-4933
Es war für viele ein Tag der Freude: Am 7. Februar 1971 sagte die (männliche) Stimmbevölkerung der Schweiz Ja zur Einführung der Wahl- und Stimmberechtigung von Frauen auf eidgenössischer Ebene. Was löste dieser Entscheid unter den Frauen aus, wollte die National-Zeitung wissen. Und schickte ein Team aus zwei Reportern und einem Fotografen los. Am Montag, 8. Februar 1971, erschien dann die unten stehende Reportage. Sie gibt einen interessanten, aber wohl kaum repräsentativen Einblick in damalige Denkmuster von Männern und Frauen.
Hanspeter Hammel und Peter Tschanz bei den „Siegerinnen“:
Frauenstimmrecht: Letzte Hürde übersprungen
Befehl der allerhöchsten Instanz: eine Umfrage bei Frauen, wie sie sich zum Abstimmungsresultat stellen würden. Im übrigen – so sagt die Instanz – sollen wir „gewöhnliche Frauen“ fragen. Darauf, was man unter gewöhnlichen Frauen zu verstehen habe, meinte die Instanz, wir sollten nicht so saudumm fragen: Sekretärinnen, Serviertöchter, Hausfrauen, Trämliführerinnen (wo es bei uns doch gar keine solchen gibt), Coiffeusen, Lehrerinnen oder was auch immer – nur keine Suffragetten!
Ohne Antwort geflüchtet
Wir zogen also in Richtung Marktplatz, in der einen Hand einen Schreibblock, in der anderen den Kugelschreiber und zur Seite einen zeternden Hans Bertolf, der das Abstimmungsresultat samt Suffragetten und „gewöhnlichen Frauen“ ins Pfefferland wünschte – „das haben wir nun davon!“, wetterte er. Interviews ähnlicher Art seien eine Zumutung, wenn einem die Nasenlöcher dabei zufrieren würden …
Die erste Frau, an die wir die beauftragte Frage richteten, zog erschrocken das Handtäschchen an sich und machte sich davon. Die Antwort blieb sie uns schuldig. – Pech auch bei der zweiten. Sie stammte aus Pistoia, was ein netter Ort nahe bei Florenz sei. Ja, dort hätten die Frauen das Wahlrecht, doch würden sie immer nur das stimmen, was der „marito“ gerade für gut fände. Frauenverbände oder gar politische Frauenorganisationen gebe es nicht. Die Frau gehöre zu den Kindern, meinte sie, und zog mit ihren vier Bambini davon.
Und dann stiessen wir auf Frau A. R. Frau A. R. ist Hausfrau und führte ihren Tino, einen prächtigen Tintenlappenhund, spazieren. Im Radio hatte sie eben das definitive Abstimmungsresultat mitbekommen. Ja, sie freue sich sehr darüber, doch eigentlich habe sie mit einem kräftigen „Ja“ gerechnet. – Natürlich werde sie von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen. Sie sei übrigens bei kantonalen Abstimmungen schon jetzt immer an die Urne gegangen. Es gebe eben Sachen, in der eine Frauenstimme wichtiger wiege, als die eines Mannes – insbesondere in der Erziehungsfrage. Die Informationen über eine Abstimmung beschafft sich Frau A. R. beim Radiohören, Diskutieren im Freundeskreis und eifrigen Zeitungslesen. Die NZ sei übrigens ihr Hofblatt. – Hat uns natürlich ganz riesig gefreut.
Wünschenswert ja
Fräulein H. ist Sekretärin. Nein, sie habe sich nicht sonderlich mit dem Resultat dieser Abstimmung befasst. – So, angenommen? Ja, das sei eigentlich („trotz e paar Hinterwäldler, ’s git jo immer söttigi!“) zu erwarten gewesen. – Nun, im Moment sehe sie noch keine grossen Vorteile. Natürlich auch keine Nachteile. Immerhin sei die Gleichberechtigung im Zeitalter der Menschenrechte wünschenswert. Für diese Gleichberechtigung kämpfen? Also nein, so wichtig sei es ihr nun auch wieder nicht. Natürlich werde sie zur Urne gehen. Das sei nun beinahe eine Pflicht. Die Informationen über bevorstehende Abstimmungen entnimmt Fräulein H. S. – wie beinahe die meisten Befragten – aus den Tageszeitungen oder dem Radio. Politisch engagieren werde sie sich nicht – sie gehöre nicht zu diesen Suffragetten, bewahre nein!
Frau Y. S. ist Sekretärin in einem Treuhandbüro und daneben Hausfrau. Eigentlich habe sie sich gewünscht, dass das Stimmrecht angenommen würde, doch hätte sie sich nicht unbedingt dafür eingesetzt. Sie habe etwas gegen politische Frauen-Organisationen. Frau Y. S. sieht ebenfalls die Vorteile, die eine Frauenstimme gegenüber Kindererziehungsfragen bringen kann. Es sei nicht nur so, dass die Frau hier mehr Gefühl habe, sie zeige vor allem auch viel mehr Interesse als der Mann – und dies sei eben wichtig. Die Informationen beschafft sich Frau Y. S. durch Lesen und Radiohören. Natürlich diskutiere sie über verschiedene Fragen auch mit ihrem Mann, ohne sich jedoch von ihm beeinflussen zu lassen …
Frau H. B., Lehrerin, ruft spontan aus „Isch’s dusse?“. Und wie wir ihr das Resultat mitteilen, eben so spontan „do muess y de Männer gratuliere!“ – Ja, sie sei ganz für das Frauenstimmrecht. Es sein nun wirklich allerhöchste Zeit gewesen. Allerdings, so meint Frau H. B., sei der Mann nun in gewissen Gebieten (AHV, Pensionierung) gegenüber der Frau sicher benachteiligt. Sie würde es sehr gut verstehen, wenn er sich hier nun ebenfalls eine Gleichberechtigung beschaffen würde. Und apropos Gleichberechtigung: Natürlich bleibe nun zu hoffen, dass der Mann – und dies, obwohl ihm die Frau gleichgestellt sei – ein Gentleman bleibe. So wäre es nett, wenn er ihr weiterhin den Sitz im Trämli anbiete oder den Koffer trage – dies seien nämlich nicht Fragen der Gleichberechtigung, sondern der Kinderstube. Im übrigen freut sich Frau H. B. nun vermehrt an die Urne gehen zu dürfen. Sie stimme stets im Rathaus. Es sei dort unwahrscheinlich heimelig …
Kompliment!
Frau E. H. möchte zuerst keine Auskunft geben, wird aber von ihrem Mann dazu ermutigt. Nun, eigentlich habe sie sich nie richtig mit dieser Abstimmung befasst. Da sie jetzt aber wisse, dass das Frauenstimmrecht von so vielen wackern Eidgenossen gutgeheissen wurde, könne sie diesen Männern nur ein Kompliment aussprechen. Insbesondere den Baslern, die hier so überzeugend „Ja“ gesagt hätten. Selbstverständlich wird auch Frau E. H. an die Urne gehen (juhuiii! – wenn da wirklich alle gehen, gibt das eine Stimmbeteiligung von 100 Prozent). Im übrigen findet sie es nur richtig, dass auch die Frau ein Mitspracherecht habe. So zeige eine Frau gerade gegenüber sozialen oder Schulfragen sicherlich mehr Einfühlungsvermögen als ein Mann – und das sei wichtig! – Die Information? Nun, sie werde mit ihrem Mann über die verschiedenen Abstimmungen sprechen.
Intelligenz und Instinkt
Schliesslich Frau G. O. Sie meint, dass es wünschenswert sei, dass die Frau künftig an die Urne gehe. Bis anhin seien die Frauen sozial doch etwas benachteiligt gewesen. Selbstverständlich diskutiert Frau G. O. die politischen Fragen auch im Freundes- und Bekanntenkreis und bildet sich, nachdem sie Pro und Kontra sorgfältig abgewogen hat, ihre eigene Meinung. Frauen in der Politik? – „Nun“, meint Frau G. O., „was Männer oft mit Intelligenz erreichen, schafft die Frau mit ihrem Instinkt.“
Starke Baslerinnen im Archiv
Am 7. Februar 2021 feiert die Schweiz 50 Jahre Frauenstimmrecht. Doch Frauen sind nicht erst seit 50 Jahren tragender, prägender und lenkender Teil der Gemeinschaft, sondern seit jeher. Ihre Arbeit ist oft wenig honoriert, ihre Namen sind meist unbekannt oder rasch wieder vergessen. Hier setzt das Stickeralbum „Starke Frauen in der Basler Geschichte“ ein unübersehbares Zeichen.
In diesem Stickeralbum zeigen zwölf Porträts, wie Frauen in der Basler Geschichte auf vielfältige Weise und über alle sozialen Schichten hinweg Einfluss auf das gemeinschaftliche Leben ausgeübt haben. Von der Frühgeschichte bis in die Gegenwart. Produziert wurde das Stickeralbum vom Forschungsprojekt Stadt.Geschichte.Basel, in Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv Basel-Stadt. Lanciert wird es anlässlich der Jubiläumsaktion zum Jubiläum 50 Jahre Frauenstimmrecht, welches die Abteilung Gleichstellung in Basel ermöglicht.
Begleitend dazu werfen das Staatsarchiv und Stadt.Geschichte.Basel bis in den Frühsommer hinein auf ihren Blogs Schlaglichter auf „starke Baslerinnen“.
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