Neue Fragen an alte Bilder

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Bilder aus der Ausstellung «Kleinbasel». Staatsarchiv Basel-Stadt

In der Ausstellung «Kleinbasel» (März bis Juni 2022) stellt das Staatsarchiv historische Fotografien in einen Dialog zu Aufnahmen zeitgenössischer Fotografinnen und Fotografen. Präsentiert wird nicht einfach ein Vergleich Gestern-Heute. Die Ausstellung ist vielmehr eine Einladung zum genauen Hinschauen und zum Nachdenken darüber, was Fotografie überhaupt erzählen kann.

Mehrere Millionen historischer Fotografien bewahrt das Staatsarchiv Basel-Stadt auf. Wie viele davon Ereignisse, Gebäude oder Menschen aus Kleinbasel abbilden, lässt sich unmöglich sagen. Der Blick in die Bildersammlung macht hingegen eines klar. Um zu erahnen, was für Fotografien überliefert sind und in welcher Menge, muss man die Logik historischer Bildproduktion verstehen. Bevor Fotografieren zum Volkssport wurde, dominierte der Berufsfotograf. Wer es sich leisten konnte, liess sich im Studio porträtieren. Markante Stadtansichten wurden auf Postkarten verbreitet; der moderne Staat liess Schulhäuser und Brückenbauten als Fortschrittsdokumentationen festhalten. Medizin und Polizei vermassen die Menschen mittels Fotografie. So taucht Basels nördlicher Stadtteil mit seiner Bevölkerung zwar immer wieder auf Fotografien auf, aber auch immer wieder nur als Randthema.

Fotografische Dokumentationen von Arbeit und Alltag gab es im 19. Jahrhundert bereits, allerdings nicht für Basel. Erst ab den 1920er-Jahren rückten diese Themen auch hier in den Fokus der Fotografierenden. Die neu entwickelte Kleinbildkamera mit Rollfilm ermöglichte mobile, schnelle Aufnahmen. Bis dahin dominierten die Grossbildkameras mit Glasplatten- und Filmnegativen und entsprechend statischen Aufnahmen. Bewusst zeigt die Ausstellung «Kleinbasel» nur Fotografien aus dem Zeitraum der 1880er- bis 1920er-Jahre, sozusagen aus der Jugendzeit des Mediums Fotografie. Die Begrenztheit und Fremdheit dieser Bilder bietet eine gute Gelegenheit, das Lesen von historischen Fotografien zu lernen.

Wer eine Zeitreise machen möchte, findet im Staatsarchiv reiches Anschauungsmaterial dazu. Für die Ausstellung «Kleinbasel» wird jedoch kein Bilderbogen aufgespannt. Es wird vielmehr an einzelnen Beispielen erlebbar, was und wie viel historische Fotografie erzählen kann. Eine Fotografie sagt nur dann mehr als tausend Worte, wenn man ihr Fragen stellt. Was ist im Detail zu sehen? Was wird nie sichtbar? Worauf richtete der Fotograf seinen Fokus – und was für Informationen verbergen sich am Bildrand? Die Ansicht einer Gasse war einst als Postkarten-Vorlage fotografiert worden. Dem neugierigen Auge einer heutigen Betrachterin kann sie ungewollt vieles erzählen: zum Beispiel über die Sichtbarkeit von weiblicher Arbeit oder über die weltweite Vernetzung der Kleinbasler Wirtschaft.