Welche neuen Technologien hatte die Cebit 2016 für die Digitalisierung von Archivgut zu bieten? Die diesjährige Computerfachmesse Cebit stand ganz im Zeichen der „digitalen Transformation“. Seit das WEF die „Industrialisierung 4.0“ propagierte, liegt die Digitalisierung in aller Munde. Durch diesen globalen Trend erhält auch die klassische Dokumentendigitalisierung neuen Aufwind, was nicht zuletzt auch der Digitalisierung von Archivgut zu Gute kommen könnte. Was früher unter dem Label „paperless office“ vermarktet wurde, war dieses Jahr in der Halle 3 unter dem Label „Input/Output“ gebündelt. Ich verbrachte zwei ganze Tage in dieser Halle 3, wo ich sämtliche bekannten Scannerhersteller vorfand und dazu eine ganze Reihe neuer kennen lernte.
Neue Massstäbe
Um es gleich vorweg zu nehmen: Wirklich bahnbrechende neue Technologien habe ich keine gesehen. Nichts zu sehen vom Traum, dass ganze Handschriften mit MRI Verfahren ohne durchzublättern geröntgt werden. Der Markt hatte keine neuen Buchscanner zu bieten und alle Hersteller kämpfen immer noch mit denselben Problemen wie vor drei Jahren. Und trotzdem habe ich ein Gerät gesehen, das mich total beeindruckt hat. Nicht weil es solche Geräte vorher nicht gab, sondern weil es in puncto Qualität und Effizienz völlig neue Massstäbe setzt.
Eines meiner Ziele war, die Beschaffung eines kleinen Mikrofilmscanners auf der Cebit zu evaluieren. Ich dachte an ein Gerät, das ungefähr 10‘000 Euro kostet und mit dem wir Teile aus unserem Mikrofilmbestand einlesen könnten. Meine Vorstellung war, dass das Gerät die Mikrofilme, einmal eingespannt, automatisch einliest. Für uns könnte dieser Vorgang durchaus gemächlich von statten gehen. So dass man morgens einen Film einspannt und bei der Kaffeepause vielleicht den nächsten. So könnten wir gewisse Bestände digital nutzbar machen.
Geräte für Grosse und Kleine
Es gibt eine überraschend grosse Anzahl unterschiedlicher Mikrofilmscangeräte. Die Cebit war der geeignete Ort, um einen Überblick über die verfügbaren Mikrofilmscanner zu verschaffen. Der Markt ist klar zweigeteilt: Es gibt die grossen Geräte (40‘000-100‘000 €), welche in grossen Institutionen und bei Dienstleistern zur Anwendung kommen und primär zum Digitalisieren dienen. Daneben gibt es die kleinen Geräte, die für den Gebrauch im Lesesaal bestimmt sind und die alten analogen Mikrofilmlesegeräte ersetzen. Die Beschaffungspreise dieser Kategorie liegt zwischen 7‘000 und 14‘000 €. Diese Desktopgeräte kommen meist mit einem Touchscreen und All in one-Computer. Sie sind für die Konsultation von Mikrofilmen konzipiert und ermöglichen ungeschulten Bibliotheksnutzern ein einfaches „Scan to Stick“. Der Bedienungsvorgang sieht kein integrales Einlesen eines Mikrofilms vor. Gewisse Geräte bieten zwar ein „Auto-Scan“ an, was allerdings eher für die Erfassung von zehn hintereinander gereihter Frames ausgelegt ist. Nur ein Gerät war in der Lage, die Frames automatisch zu erkennen. Diese Frame-Erkennung ist im Falle von handgeschriebenem Archivgut schwieriger als bei modernen maschinengeschriebenen A4 Seiten. Mein Traum vom automatischen Einlesen erwies sich bald als Illusion.
Aus purer Neugierde schaute ich mir auch ein grosses Gerät aus der Kategorie der Produktionsscanner an. Ein Gerät, das in die Hände einer Nationalbibliothek oder eines Dienstleisters gehört. Für ein kantonales Archiv wie das unsrige wäre so ein Gerät gänzlich überdimensioniert, denn es hätte unseren gesamten Mikrofilmbestand innerhalb weniger Tage abgearbeitet. Die Bilder, welches dieses Gerät aus unseren Mikrofilmen herauszulesen im Stande ist, haben meine Erwartungen um ein Vielfaches übertroffen. Ich beschäftigte mich schon früher mit der Frage, wie viel Bildinformation man aus einem Mikrofilm zurückgewinnen kann, und hatte konkrete Vorstellungen. Mir erschien das Digitalisieren von handgeschriebenem Archivgut ab Mikrofilm nur in wenigen Fällen als zielführende Alternative zum Digitalisieren ab Original. Die Kosten waren schlicht zu hoch und die Lesbarkeit nicht befriedigend.
750 Seiten in 150 Sekunden
Inzwischen hat die Technologie aber solche Fortschritte gemacht, dass eine ganz neue Entscheidungsgrundlage vorliegt. Jeder Frame wird mit einer Auflösung von etwa 8416 x 6528 Pixeln eingelesen, was ungefähr 55 Megapixeln entspricht. Und mein ganzer Mikrofilm, der 750 Doppelseiten enthält, war in zweieinhalb Minuten fertig eingelesen.
Die Auflösung und die Wiedergabe der feinsten Grauabstufungen sind so verblüffend, dass man erst bei den Kratzern bemerkt, dass die Bilder ab Mikrofilm zurückgelesen wurden. Diese Mikrofilmscans sind qualitativ durchaus mit einer heutigen Digitalisierung ab Original vergleichbar, sofern von der Farbe abgesehen werden kann.
Fazit
Der technologische Fortschritt ist erheblich. Für Archive ist es wichtig zu wissen, welche Qualität von Mikrofilmscans sie erwarten dürfen. An der Cebit Messe sagten mir die Verkäufer, mein Film sei von schlechter Qualität und man könne da nicht mehr raus holen. Ich habe aber alle Geräte mit demselben Film getestet und wie sich herausstellte, war ja nicht der Film der limitierende Faktor.
Der ökonomische Aspekt dieser neuen Technologie scheint mir aber für Archive gar noch bedeutsamer als der qualitative. Bedenkt man, dass mit dieser neuen Technologie eine Spule Mikrofilm mit 700 Bildern in 2,5 Minuten eingescannen kann, so sollte sich diese Effizienz ebenfalls auf den Preis der Dienstleistung auswirken. Man darf hoffen, dass ein solches Einlesen zu einem Dienstleistungspreis von etwa 40 Franken zu liegen kommt. Somit liessen sich für Fr. 6000.- rund 100’000 Seiten einlesen. Bei unseren Akten entspricht dies 15 Laufmetern. Würden wir diese ab Original digitalisieren, benötigten wir dafür 100 Arbeitstage, Qualitätskontrollen mit eingerechnet. Dieses Rechenbeispiel zeigt, wie auf einmal grosse Massen an verfilmter archivischer Information zugänglich gemacht werden kann. Ein Grossteil unserer zentralen Bestände wurden im Verlauf der letzten siebzig Jahren auf Mikrofilm gesichert. Diese könnten nun eingelesen und nutzbar gemacht werden. Ich denke an Kirchenbücher und Zivilstandsregister, in denen täglich Personendaten überprüft und nachgeschlagen werden. Hier könnten wir so manche Benutzungsvorgänge mit unserem digitalen Angebot abfangen und damit unsere Benutzungsabteilung entlasten. Diese neue Technologie ist ein richtiger „game changer“. Hoffen wir, dass sie für uns bald verfügbar wird.
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