Eisenbahnviadukt der Elsässerbahn, ca. 1858. Staatsarchiv Basel-Stadt, AL 45, 4-78-4
Nichts hat die Welt und das Leben der Menschen so radikal verändert wie das Aufkommen der Eisenbahn im 19. Jahrhundert. Sie war der Katalysator der Industrialisierung. Einerseits konnten immer mehr Waren immer schneller immer weiter transportiert werden. Andererseits kurbelte die Eisenbahn mit ihrem immensen Bedarf an Kohle, Stahl und Maschinen die Schwerindustrie an. Und sie hat mit ihrer Infrastruktur (Bahnhöfe, Brücken, Viadukte) auch das Erscheinungsbild der Städte geprägt. Die Eisenbahn trug massgeblich dazu bei, dass sich Basel innert kurzer Zeit von einer behäbigen Kleinstadt zu einer modernen Grossstadt entwickelte. Dies lässt sich anhand des umfassenden Quellenmaterials des Staatsarchivs Basel-Stadt aufzeigen.
Der erste Bahnhof auf Schweizer Boden
Lohnkutscher vor dem Bahnhof, undatierte Lithografie von Hieronymus Hess. Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD 13, 681
Auf der Karikatur von Hieronymus Hess von 1847 prallen zwei Welten aufeinander. Sie zeigt einen Lohnkutscher, der mit erhobener Faust gegen die «dunnders Isebahn» im Hintergrund wettert, die ihm die Existenzgrundlage zerstört. Nur zwei Jahre zuvor war auf dem Schällemätteli der erste Bahnhof auf Schweizer Boden eröffnet worden. Dagegen hatte es nicht nur von Kutschern Widerstand gegeben. Pfarrer fürchteten eine katholische Unterwanderung, Handwerker eine Überschwemmung mit billigen Waren. Aber auch die Regierung schreckte noch davor zurück, die Stadt zu öffnen. Deshalb liess beschloss sie, die Stadtmauer erweitern und durch Melchior Berri ein Eisenbahntor errichten zu lassen.
Neuer Wall mit Eisenbahntor zum französischen Bahnhof, 1861. Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Schn. 196
Der Bahnhof auf dem Schällemätteli war nur 15 Jahre lang in Betrieb. Danach wurde die Elsässerbahn mit dem neuen Bahnhof der Schweizerischen Centralbahn verbunden. Die Gleise wurden in einem weiten Bogen um die Stadt gelegt. Wohl kaum jemand hätte damals vermutet, dass die schnell wachsende Stadt diesen Ring (den heutigen Spalen- respektive Steinenring) innerhalb von nur zwei Jahrzehnten erreichen und gar überschreiten sollte.
Müllerweg (Spalenring) mit der Elsässerbahn, undatierte Aufnahme. Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD 3, 1802
Die stillgelegte Bahnlinie im St. Johann wurde jahrelang von den Anwohnern als Fussweg genutzt. 1872 erhielt sie den offiziellen Namen Vogesenstrasse. Bis heute unterscheidet sich diese von den anderen Quartierstrassen durch ihre überdurchschnittliche Breite.
Die Centralbahngesellschaft
Centralbahnhof: Bahnhof-Gebäude, 1859. Staatsarchiv Basel-Stadt, Planarchiv K 1,79 Nr. 61
Der Aufbau eines schweizerischen Eisenbahnnetzes gestaltete sich harzig. Mit dem Eisenbahngesetz von 1852 wurde auf die geplante Staatsbahn verzichtet und das Feld den Privatbahnen überlassen. Eine der grössten Privatbahnen, die Schweizerische Centralbahngesellschaft, wurde 1853 in Basel gegründet. Ihr verdankt der Centralbahnplatz bis heute seinen altertümlichen Namen. Auch zwei ihrer Mitgründer, Johann Jakob Speiser und Achilles Bischoff, wurden später als Eisenbahnpioniere mit einem Strassennamen geehrt. 1854 konnte die Centralbahngesellschaft von einem provisorischen Bahnhof an der Engelgasse aus den ersten Streckenabschnitt (Basel–Liestal) in Betrieb nehmen. Die schon damals bestehenden Pläne eines Bahnhofs auf dem Gundeldingerfeld, der zugleich die Centralbahn mit der französischen Ostbahn verbinden sollte, konkretisierten in den späten 1850er-Jahren.
Stadtbann mit Flurnamen, 1820. Staatsarchiv Basel-Stadt, Planarchiv T 150,1
Die Stadterweiterung
In ihrem «Rathschlag und Gesetzentwurf über die Erweiterung der Stadt» von 1859 stellte die Regierung fest, dass das Bauen ausserhalb der Stadtmauern massiv zugenommen habe. Grund dafür seien die wachsende Bevölkerung, die steigenden Mietpreise und «die ausserhalb der Stadt entstandenen Eisenbahnhöfe und der an dieselben sich knüpfenden Menschen.» Denn dem französischen Bahnhof waren weitere gefolgt: der badische Bahnhof (am Riehenring, auf dem Areal der heutigen Messe) und der provisorische Bahnhof an der Engelgasse. Zudem war der neue Bahnhof vor der Elisabethenschanze bereits im Bau. Das Konzept einer geschlossenen Stadt war nicht mehr aufrecht zu erhalten. Konsequenterweise begann man auch in diesem Bereich mit dem Abbruch der Stadtmauern. Auch das Aeschentor wurde abgerissen, da es dem modernen Verkehr im Wege stand. Das Spalentor hingegen, jahrhundertelang der wichtigste Zugang zur Stadt, hatte zwar ausgedient, durfte aber als Sehenswürdigkeit überleben.
Vogelschauplan von Gross- und Kleinbasel, um 1865. Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Wack. C 80
Der wunderbare Vogelschauplan von Jean-Baptiste Arnout aus dem Jahr 1865 bringt die Entwicklung auf den Punkt. Im Unterschied zu all seinen Vorgängern wird die Stadt nicht mehr von Norden gesehen dargestellt, sondern von Süden. Denn hier im Süden war mit dem Bahnhof (am unteren Bildrand) das neue Tor zur Stadt entstanden. Beim Bahnhof waren mondäne Hotels entstanden, die Stadtmauern waren verschwunden und mit dem breiten Aeschengraben war eine repräsentative Zufahrtsachse zum Zentrum angelegt worden. Basel war zu einer offenen Stadt geworden.
Ein Beitrag von Peter Habicht im Rahmen der Serie Strassengeschichten.
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