Jahrrechnungen anno 1966. Basler Steuerverwaltung 1966. Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1013 1-3530 1.
Basel besitzt eine einzigartige Serie von Jahrrechnungsbüchern zum städtischen Finanzhaushalt aus den Jahren 1361 bis 1610. Ein internationales Historikerteam der Universitäten Basel und Graz hat nun mithilfe neuer digitaler Technologien diese Quellen aufgearbeitet und auf «Die Jahrrechnungen der Stadt Basel 1535 bis 1610 – digital» als digitale Edition im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Damit werden neue Möglichkeiten für die historische Forschung erschlossen und die zum Teil gefährdeten Archivdokumente für künftige Generationen gesichert.
Strafgelder, Löhne, Durchfahrtszölle: Die Jahrrechnungen der Stadt Basel geben einen detaillierten Einblick darüber, wofür die Stadt vor fünfhundert Jahren ihr Geld ausgegeben hat und wie sie zu Einnahmen gekommen ist. Indirekte Steuern für Nahrungsmittel und zahlreiche andere Abgaben von Bürgerinnen und Bürgern, Untertanen und Fremden werden dort ebenso erfasst wie städtische Investitionen in die Infrastruktur oder geheime Geldzahlungen fremder Mächte. Während für die Jahrgänge von 1361 bis 1534 bereits vor hundert Jahren eine Buchedition erschienen ist, fristeten die Jahrrechnungen für die 75 Jahre bis 1610 bis anhin ein Schattendasein: Unpubliziert im Archiv gelagert, wurden sie von der Forschung vernachlässigt und vom Schimmel zersetzt. Am Departement Geschichte der Universität Basel hat nun ein Team von drei Masterstudierenden unter der Leitung von Prof. Susanna Burghartz das Projekt «Die Jahrrechnungen der Stadt Basel 1535 bis 1610– digital» durchgeführt.
Aus Quelle wird Code
Die neue Quellenedition erscheint ausschliesslich online. Für die Digitalisierung wurden die Rechnungsbücher – alles gebundene Hefte von rund 80 bis 120 Seiten – zunächst vom Staatsarchiv Basel-Stadt mit einer neuartigen, besonders schonenden Scan-Methode erfasst. Anschliessend wurden sie vom Projektteam des Departements Geschichte transkribiert und im TEI-Format, dem gültigen internationalen Standard für digitale Editionen, codiert. Auf diese Weise konnten die Historiker über 80’000 Einträge erfassen. Eine besondere Herausforderung waren die Beschädigungen durch Schimmel oder Wasser, sodass an zahlreichen Stellen Beträge nachrecherchiert und aus anderen Quellen ergänzt werden mussten. Für die technische Seite der digitalen Edition arbeitete das Basler Team eng mit dem Zentrum für Informationsmodellierung (ZIM) der Universität Graz zusammen, das bereits einschlägige Erfahrung in der Erarbeitung digitaler Editionen alter
Rechnungsbücher besitzt. Unter der Leitung von Prof. Georg Vogeler wurde in Graz eine interaktive Internetplattform realisiert, auf der die Forschenden nun direkt mit den Quellen arbeiten können.
Digital History: Durchsuchen, rechnen, visualisieren
Das Ergebnis dieser Kooperation ist eine digitale Edition mit vielen neuen Features für die Forschung. Die Webseite «Die Jahrrechnungen der Stadt Basel 1535 bis 1610 – digital» stellt die gesamte Edition allen Interessierten zur Verfügung. Was leistet die neue digitale Edition zusätzlich? Anders als gedruckte Editionen stellt sie unterschiedliche Ansichten der Rechnungsbücher zur Verfügung und enthält darüber hinaus verschiedene Tools zur Datenauswertung. Damit werden die Analysemöglichkeiten enorm erweitert: Die Rechnungen können als modernes Transkript oder als Faksimile angezeigt werden. Zudem sind die Daten so codiert, dass sich damit rechnen lässt. So können die einzelnen Budgetposten, die in römischen Zahlen und im Zwölfersystem mit Pfund, Schilling und Pfennigen notiert sind, in das moderne Dezimalsystem mit arabischen Ziffern umgewandelt und berechnet werden; eine für Rechnungsbücher besonders wichtige Funktionalität.
Neu und hilfreich sind auch die Visualisierungsmöglichkeiten der Daten direkt auf der Website: Aus den Ausgabe- und Einnahmeposten können mit wenigen Klicks Zeitreihen, Diagramme und Statistiken generiert werden. So kann man sich beispielsweise anzeigen lassen, wie gross die Gesamtausgaben der Stadt über den 75-jährigen Zeitraum jeweils waren, wie die städtischen Einnahmen durch die Weinsteuer von 1535 bis 1610 angestiegen sind oder welche Bedeutung die Einnahmen aus den sogenannten Pensionen – Zahlungen für den Zugang zu Söldnern – im Verlauf des 16. Jahrhunderts für den städtischen Haushalt hatten. Zudem verfügt die digitale Edition auch über eine elaborierte Volltextsuche, die der unregelmässigen Schreibweise der Vormoderne gerecht wird. Auf diese Weise wird auch die qualitative Forschung mit den Rechnungsbüchern enorm erleichtert. Für Forschende interessant ist schliesslich auch der «Datenkorb», mit dem gezielt Einträge aus den Jahrrechnungen ausgewählt und heruntergeladen werden können.
«Die Jahrrechnungen der Stadt Basel 1535 bis 1610 – digital» führt zu Ende, was Bernhard Harms mit seiner Edition vor hundert Jahren angefangen hat: Eine komplette Edition der Basler Jahrrechnungen. Mit der Online-Publikation werden die wichtigen Basler Wirtschaftsquellen zudem auf eine Weise veröffentlicht, die am Puls der Zeit ist und bei der digitalen Präsentation historischer Quellen neue Wege beschreitet, die hoffentlich Massstäbe setzen werden.
Im Staatsarchiv Basel-Stadt findet am Montag, 29. Februar 2016, um 18.00 Uhr die Vernissage der neuen digitalen Edition statt. Es sprechen unter anderem Esther Baur, Leiterin des Staatsarchivs Basel-Stadt, Prof. Susanna Burghartz, Leiterin des Editionsprojekts, und Dr. Eva Herzog, Basler Finanzdirektorin. Der Anlass ist öffentlich.
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