Aus den Erinnerungen von Reinhard Grieder (1877-1954), festgehalten 1943. Das Manuskript wurde der Polizei Basel-Stadt von seinem Enkel zugestellt. Die hier publizierten Auszüge bilden eine Ergänzung zum 2016 erschienenen Jubiläumsbuch der Kantonspolizei.
Kriegsfolgen
Am 4. August 1914 Beginn des Weltkrieges. Nun gibt es für die Polizei vermehrte Arbeit. Nach 24-stündigem Tag- und Nachtdienst werden wir nach dem Zeughaus abkommandiert, um dort Gewehr, Seitengewehr (Bajonette) und scharfe Munition zu fassen und dann die Rheinbrücken bewachen. Wir können nicht nach Hause und erhalten Verpflegung in den Wirtschaften. Nachts 11 Uhr werden wir vom Landsturm abgelöst, der unterdessen aufgeboten worden ist. An der Grenze zwischen Basel und St. Ludwig haben mehrere Hundert Personen, darunter Frauen und Kinder, bei strömendem Regen auf freiem Feld übernachtet und warten auf Einlass, da diese infolge der Grenzsperre nicht hereingelassen werden konnten. Da hatte die Polizei die Aufgabe, diese Leute in Gruppen zu formieren und in die Stadt zu begleiten, wo sie bis zu ihrer Weiterreise in den Schulhäusern und Wirtschaften einquartiert und auch verpflegt werden. Auf der Margarethenwiese, da wo heute das Verwaltungsgebäude des Elektrizitätswerkes steht, werden Tische und Bänke aufgeschlagen und dort ebenfalls einige hundert Personen verpflegt. Sogar eine Hebamme soll dort Arbeit bekommen haben. Nach einigen Wochen der Aufregung geht unser Dienst wieder in ruhigeren Bahnen weiter.
Landesstreik und Unruhen
Am 4. November 1918 bricht der Landesstreik aus. Mit dem Anfang des Streiks erkranke ich an Grippe, wovon ich mich erst nach 4 Wochen wieder erhole. Von diesem Streik weiss ich nur, das von den Streikgenerälen der rote Fritz Schneider vom Gericht zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt worden ist, die auf dem „Schloss Savatan“, einem Gefängnis im Wallis, hat absitzen müssen, während der schlaue und geriebene Jurist Dr. Wälti durch die Maschen des Gesetzes hat schlüpfen können.
1919: Der Weltkrieg ist im vergangenen Herbst zu Ende gegangen. Das Leben ist teurer und die Löhne wollen mit den Ausgaben nicht Schritt halten. Einerseits grosse Kriegsgewinne und andrerseits Not und Armut. Dies alles verursacht in den unteren Volksschichten grosse Unzufriedenheit und löst am 27. Juli den Generalstreik in Basel aus. Massenansammlungen und Demonstrationen in der Stadt finden Tag und Nacht statt. Im Albanquartier, dem Sitz der Reichen, werden Fenster eingeworfen. Die Polizei hat alle Hände voll zu tun. Damit die Versorgung der Bevölkerung mit den nötigsten Lebensmitteln wie Milch und Brot gesichert wird, erhalten die Transporte Polizeibegleitung. Auf jeden Milchwagen kommt neben den Milchmann ein uniformierter Polizeimann zu sitzen, desgleichen auch bei den übrigen Lebensmitteltransporten. Auf dem Marktplatz werden die Hydranten in Funktion gesetzt, um die Demonstranten zu zerstreuen und die erhitzten Köpfe ein wenig abzukühlen. Dort kann ich beobachten, wie ein Mann sich an der Ecke Marktplatz-Hutgasse in eine Türnische flüchtet und dort Schutz sucht. Aber er ist auch dort nicht sicher, denn der ganze Wasserstrahl prasselt auf ihn nieder. Er spannt seinen Regenschirm auf, aber auch das schützt ihn nicht und er muss weiter flüchten. Von seinem Pelz wird nicht viel trocken geblieben sein.
Eines Nachts grosse Ansammlung auf dem Barfüsserplatz. Nach langem Duschen und Abwarten fordert unser Offizier die Menge wiederholt auf, nun ruhig heimzugehen. Schallendes Gelächter und Pfuirufe sind die Antwort. Endlich ist die Geduld am Ende. Ein Kommandoruf: „Säbel raus, zum Angriff los“! Jetzt hagelt es nur so auf die Köpfe nieder. Die Hüte rollen auf der Strasse herum wie fliehende Hühner und manchem Dämchen, das glaubt die Nase zuvorderst haben zu müssen und die Polizei solle auf das „zarte Geschlecht“ noch besonders Rücksicht nehmen, wird das Hüterl schief auf den Kopf gesetzt. Auf dem Claraplatz reissen die Demonstranten die Pflästerung und werfen die Pflastersteine auf die Polizei. Nun gibt es scharfe Schüsse, Verwundete und ein Toter. Die Regierung fürchtet, der Situation nicht mehr Herr werden zu können und verlangt von Bern Militäraufgebot. Kavallerie und Infanterie marschiert in Basel ein und auf den wichtigsten Plätzen werden Maschinengewehre aufgestellt. Nun sahen die Leute, dass es ernst werden könnte, dass die Kugelspritzer losgehen könnten oder dass einem die Kavallerie-Rösser auf die Zehen treten könnten, was gewiss weher täte, als wenn einem ein Polizeimann auf die Zehen tritt.
Während dem Streik konnte man auch Lustiges beobachten. Im Albanquartier fuhr der Glöggliwagen durch die Strassen und die Herren im Quartier leerten die Mistkübel, einige angetan mit der Köchin oder der Stubenmagd ihrem hellen Schürzli. Der Generalstreik ging mit dem 8. August zu Ende.
1930: Im Monat März traten die Schreiner von Basel in den Streik. Während diesem Streik hatte die Polizei wieder zusätzliche Arbeit. Die Arbeitswilligen mussten geschützt werden. Am Morgen musste diese am Wohnort abgeholt und zur Arbeitsstätte begleitet und nach Feierabend von der Arbeitsstätte zum Wohnort begleitet werden. Wären die bösen Blicke, die uns von den streikenden Arbeitern während diesem Begleiterdienst zugeworfen worden sind, tödlich gewesen, es hätte manchen Polizisten das Leben gekostet. Nach 33 Wochen wurde der Streik abgebrochen und die Arbeiter hatten ausser leeren Streikkassen nichts erreicht.
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