Ein Beitrag von Julia Nastke, Restauratorin im Staatsarchiv Basel-Stadt
So einfach ist das Ganze nicht …
Wer kennt nicht die typischen Szenen einer History-Dokumentation: Im Interview präsentieren Archivarinnen kostbare historische Dokumente, die sie vorsichtig mit strahlend weissen Baumwollhandschuhen berühren. Die Botschaft hinter den Handschuhen ist klar: wertvoll! In der alltäglichen Praxis hingegen sind es viele Archivnutzer/-innen gewöhnt, Archivalien mit blossen Händen zu benutzen. Was ist nun richtig? In der Frage der Handschuh-Benutzung liegt ein grosses Spannungsfeld. Man kann eben nicht einfach so entscheiden, ob Handschuhe obsolet sind oder zwingend notwendig.
Kriterium Material
Was man sich bei Archivgut immer vor Augen führen sollte: Es handelt sich um historische Schriftstücke, um Informationsträger ganz unterschiedlichen Alters. Es können also sehr viel verschiedene historische wie moderne Materialien vorkommen, einzeln oder in Materialverbünden. Da gibt es Schriftstücke aus Pergament oder Leder, die aus Tierhäuten bestehen. Zum Teil sind Buchmalereien vorhanden, die aus giftigen Pigmenten bestehen können oder auch aus stark reaktiven. Das heisst: Jede Berührung mit der Haut kann Fett oder Schweiss übertragen und das Archivgut unwiderruflich verändern. Das gleiche gilt für Metallbeschläge bei historischen Buchbeinbänden oder für empfindliche moderne Kunstdruckpapiere. Schwerwiegende Folgen hätte das Berühren von Fotografien oder Filmnegativen, die aus beschichteten Papieren, Glas und Kunststofffilmen bestehen. Und so weiter und so fort – diese Auflistung könnte noch lange weitergehen.
Fingerspitzengefühl
Was unbestritten ist: Handschuhe, aus Baumwolle oder Nitril (synthetisch) unterstützen die Sorgfaltspflicht bei einer Benutzung. Wer Handschuhe trägt, nimmt das Buch in seinen Händen nicht mehr nur als Informationsträger wahr, sondern als Einzelstück, als Sorgfalt erheischendes Unikat. Gleichzeitig sind Handschuhe aus Baumwolle unpraktisch beim Umblättern von Papierseiten in einem Buch, da sie das Feingefühl der Benutzenden für die einzelne Seite verringern. Beim Hantieren kann es zu Schäden wie beispielsweise Rissen und Knicken an empfindlichen Papieren und Einbandmaterialien kommen. Es gibt, meine ich, sinnvollerweise keine absolute Regel: Ob Archivalien mit oder ohne Handschuhe benutzt werden, ist immer eine Frage des konkreten Einzelfalls, der betroffenen Objektgruppe. Wichtig beim Benutzen ohne Handschuhe ist, dass die Hände gewaschen und sauber sind.
Doppelter Schutz
Handschuhe schützen übrigens nicht nur die Archivalien, sondern auch die Archivbenutzer/-innen.
Auf Archivalien können schädliche Stäube, früher angewandte Insektizide, Bleispuren oder auch Schimmelschäden vorkommen – und während der Benutzung durch die blosse Haut aufgenommen werden. Nitrilhandschuhe sorgen hier für die nötige Barriere und den persönlichen Schutz. Wann und wo ein solcher unbedingt notwendig ist, sollte im Zweifelfall vor der Benutzung durch Fachpersonal festgelegt werden.
Für mich als Restauratorin sind Handschuhe ein alltägliches Werkzeug, da ich mit den Archivalien oft noch viel direkter auf Tuchfühlung gehe als die Benutzer/-innen im Lesesaal. Ich weiss aus Erfahrung: Was einem begegnet, wenn man ein 500 Jahre altes Buch öffnet, ist immer sehr vielschichtig und vor allem nie vorhersehbar. Deswegen schütze ich mich, wo es notwendig ist, indem ich Handschuhe trage.
Noch Fragen?
Bei Fragen oder Unklarheiten rund um die Benutzung von Handschuhen kann man sich im Lesesaal des Archivs jederzeit an die Archivmitarbeitenden wenden.
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