Kategorien der Befremdung: Fremdenpolizeiakten im Staatsarchiv

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Aktenzeichen, Magnet Basel

StABS Hö D 35385

Schalterhalle der Fremdenpolizei im Spiegelhof, um 1950. Staatsarchiv Basel-Stadt, Hö D 35385

Wie kommt es eigentlich dazu, dass im Staatsarchiv eine derart grosse Menge an Migrationsgeschichten dokumentiert ist? Und was für Akten sind das genau? Was heute auf Bundesebene  Staatssekretariat für Migration oder auf kantonaler Ebene (im Falle der Stadt Basel) Bevölkerungsdienste und Migration heisst, wurde früher Fremdenpolizei genannt. Sie wurde mitten im Ersten Weltkrieg als eigenständige Kontrollbehörde gegründet. Was als Fall behandelt wurde, resultierte in einer Akte. Und davon gab es verschiedene Sorten, die im Staatsarchiv entsprechend in unterschiedlicher Anzahl und Vollständigkeit überliefert sind.

PD-REG 3a: Personen- und Sachdossiers der Fremdenpolizei (1912-1998)

Dieser sehr umfangreiche Bestand setzt sich aus Personen- und Sachdossiers zusammen und umfasst die bis 1981 abgeschlossenen Dossiers aus dem Nummernbereich 1-400 000. Alle Dossiers wurden von der Fremdenpolizei ohne weitere inhaltliche Ordnung fortlaufend rein alphanummerisch abgelegt. Zahlreiche, vor allem ältere Dossiers aus den 1930er-Jahren fehlen, wurden nie dem Staatsarchiv abgeliefert. Meist ist der Grund dafür unbekannt, teils ist noch eine Karteikarte vorhanden, auf der die Aktenvernichtung dokumentiert ist. Einzelne Dossiers wurden auch in die sogenannten Administrativakten PD-REG 1a eingeordnet und sind dort zu finden. Falls ein Dossier nicht vorhanden ist, sollten auch die Bestände PD-REG 3c und PD-REG 3e konsultiert werden, je nach Bewilligung auch PD-REG 3f. Dort befinden sich nach 1981 abgeschlossene Dossiers.

Der Bestand PD-REG 3a gelangte in insgesamt sechs Ablieferungen zwischen 1974 und 1996 ins Staatsarchiv. Zunächst wurden alle seit mindestens 20 Jahren abgeschlossenen Dossiers abgeliefert (1974, 1977, 1986), dann verkürzte sich die Zeitdauer auf 15 (1986, 1991), zuletzt auf 10-20 Jahre (1996). Bis 1991 waren die dem Staatsarchiv abgelieferten Dossiers gesperrt und der Öffentlichkeit nicht zugänglich. 1991 wurde die Verantwortlichkeit für Zugriff und Einsichtnahme dem Staatsarchiv unterstellt. Dies schien aber bei den Ablieferungen 1993 und 1996 seitens der Fremdenpolizei wieder in Vergessenheit geraten zu sein. So galten die Akten laut Ablieferungszettel als gesperrt, „in Ausnahmefällen sollte die kantonale Fremdenpolizei jeweils vorher orientiert werden“. Mit dem Archivgesetz des Kantons Basel-Stadt von 1996 wurden diese einschränkenden Auflagen endgültig hinfällig. Die Prüfung der Einsichtnahme untersteht gemäss den gesetzlichen Bestimmungen für personenbezogene Unterlagen seither dem Staatsarchiv.

PD-REG 3b: Grenzgängerinnen und Grenzgänger (ca. 1930-1997)

Dieser Teilbestand enthält Unterlagen zu Personen, die Wohnsitz im Ausland und eine Arbeitsstelle im Kanton hatten. Die Personendossiers enthalten Gesuche, Aufenthaltsbescheinigungen, Meldescheine des Kontrollbüros, Ausweiskopien, Zeugniskopien und Ähnliches. Es handelt sich um diejenigen Dossiers von Personen, die seit mindestens fünf Jahren still stehen und zwischen 1980 und 1997 aussortiert wurden. Archiviert wurde eine Auswahl von 10 Prozent aus dem Nummernbereich von 1 bis 577 563 aller Personendossiers. Es wurde nur quantitativ ausgewählt, nicht qualitativ.

PD-REG 3c: Internationale Kundschaft / „Ausländerakten“ (ca. 1930-2002)

Der grösste Teil der Dossiers handelt von Aufenthaltsbewilligungen Typ C, das heisst unbefristeten Aufenthaltsgenehmigungen sprich Niedergelassenen. Alle anderen Bewilligungsarten sind jedoch ebenfalls vertreten: A Saisonbewilligung, B Jahresbewilligung, F vorläufige Aufnahme, L Kurzaufenthalt, G Grenzgänger, N Asylbewerber, X Beamte der Deutschen Bundesbahn. Die Dossiers werden laufend weitergeführt und der Bewilligungsstatus der Personen entsprechend angepasst. Die Aufbewahrungsfristen für die Dossiers werden vom Kanton festgelegt. 1998 wurde in Basel vereinbart, dass Dossiers nach 5 Jahren geschlossen werden mit Ausnahme von „Spezial-Fällen“ (Einreiseverbote, Landesverweise).
Das Verzeichnis aller Personendossiers mit der Ausländerkontroll-Nummer (AK) pro Dossier (Nummern bis ca. 570’000), wird seit 2004 elektronisch geführt (EWIS). Bis 1974 wurde das Findmittel in Form einer Personenkartei geführt, zwischen 1974 und 1997 als Liste, sortiert nach Nummern.

Von diesen Dossiers übernahm das Staatsarchiv eine Auswahl. Wie der Verein Schweizerischer Archivarinnen und Archivare empfiehlt, wurden alle Dossiers aufbewahrt, die bis 1983 abgeschlossen worden waren. Von den Dossiers mit Schliessungsjahr 1981-1992, die Abmeldungen betreffen (PD-REG 3c 3-1) , wurden 10 Prozent und eine Auswahl aufgrund von qualitativen Merkmalen übernommen. Solche Merkmale sind: Präzedenzfälle, umstrittene oder politisch heikle Fälle, Dossiers zu bedeutenden Wissenschaftlern, Künstlern, Politikern, Sportlern, Funtionsträgern etc. „Abmeldung“ heisst Schliessung des Dossiers infolge Wegzug, Tod, Abschiebung oder mit Aufenthalt ohne eigentliche Anmeldung (bei sogenannten Tänzerinnen) etc.

PD-REG 3e: Unbefristete Aufenthaltsgenehmigungen / Niederlassung C (1930-2004)

Bei diesem Teilbestand der Fremdenpolizeiakten handelt es sich um Familiendossiers ausländischer Personen mit Niederlassungsbewilligung C. Sobald alle Familienmitglieder die C-Bewilligung erhalten hatten, kam das Familiendossier vom Teilbestand 3c in diese Ablage. Die Vorakten (F oder N-Bewilligungen) wurden von der Dienststelle vernichtet, es handelt sich dabei um Bundesakten. Solange ein Familienmitglied eine andere Bewilligung hatte, verblieb das gesamte Familiendossier im entsprechenden Bestand (siehe auch B, L, und X-Bewiligungen in PD-REG 3f). Die Dossiers dieses Bestandes sind identisch mit den Dossiers von Personen mit C-Bewilligung, welche unter PD-REG 3c signiert sind.

Von den Dossiers wurden bei der Ablieferung ins Staatsarchiv 10 Prozent übernommen. Die Dossiers waren nach zweistelligen Endzahlblöcken geordnet. Es wurde der gesamte Block mit den Endzahlen 2 übernommen (02, 22, 32, 42 etc.). Somit sind Dossiers aus dem gesamten Nummernbereich vorhanden.

PD-REG 3f: Jahresbewilligungen, Kurzaufenthalte, Beamte der Deutschen Bundesbahn / B-, L- und X-Bewilligungen (ca. 1930-2004)

Die Dossiers enthalten Unterlagen zu Jahresbewilligungen (B-Bewilligung), Kurzaufenthaltsbewilligungen (L-Bewilligung, Aufenthalt von maximal 18 Monaten) und Bewilligungen für Beamte der Deutschen Bundesbahn (X-Bewilligungen). Da es Familiendossiers sind, enthalten die Dossiers auch C-Akten von Einzelpersonen. Die Dossiers sind identisch mit denjenigen derselben Bewilligungskategorien, welche unter PD-REG 3c abgelegt sind. Das Staatsarchiv übernahm hier 10 Prozent der abgelieferten Dossiers.

Unmengen an Informationen

In den hundert Jahren ihrer Tätigkeit legte die kantonale Fremdenpolizei rund eine halbe Million Dossiers an. Was davon im Staatarchiv liegt, ist oben beschrieben. Der gesamte Bestand ist nicht einfach benutzbar. Vielleicht 1 (!) Prozent der Dossiers sind erschlossen. Alle Dossiers zu erfassen, ist aus Ressourcengründen kaum machbar. Deshalb erschliesst das Staatsarchiv momentan on demand, das heisst aufgrund von konkreten Anfragen. Beim Teilbestand PD-REG 3a sind es so bisher erst gut 1500 Dossiers, die im Online-Katalog öffentlich recherchierbar sind.

Es sind trotz der umfassenden Kontrolltätigkeit dieser Behörde manchmal keine Dossiers zu Personen überliefert, deren Migration über Basel führte. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Flüchtling direkt an der Grenze abgewiesen wurde, wenn gar kein Antrag auf Aufenthaltsbewilligung gestellt wurde respektive gestellt werden konnte.