Warum, nicht womit: Gedanken zu Social Media im Archiv

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Allgemein, Archiv 21

«Das wäre schon toll, aber»; «Wer soll das denn leisten?»; «So einfach ist das im Archiv eben nicht» – es fehlt nicht an Gründen, warum Archive sich von Social Media fernhalten. Um es vorwegzunehmen: Es gibt durchaus gute Gründe. Ressourcen sind ein Problem, sprich Zeit. Kompetenzen auch: Archivmitarbeitende sind nicht immer geschulte Schreiberinnen und Schreiber.

Arbeit fürs Archiv? Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1013 1-5005 1.

 

Aber eigentlich sind das die falschen Fragen. Es geht nicht darum, wie Archive sich in Social Media engagieren können. Sondern warum. Das hat die amerikanische Publizistin Kate Theimer 2011 auf den Punkt gebracht. «Any social media tool is just a tool. Why are you using it?», fragte sie. Und sie formulierte drei mögliche Gründe.

 

Anders publizieren
  • Social Media ermöglichen dem Archiv neue Publikationsformen und Verteilwege. Jahresberichte und Neujahrskarten erreichen ein begrenztes Publikum, Websites sind eingebunden in Verwaltungszwänge und bieten wenig Raum für Aktualität. Hier bieten Social Media die Möglichkeit, ein grösseres Publikum aktueller zu informieren. Kommentar- und Teilmöglichkeiten sind dabei nicht zentral. Erreicht wird vor allem Aufmerksamkeit.
Engagement ermöglichen
  • Social Media bieten die Chance, fernab von Registraturplan und Aktenplan etwas zu erzählen. Benutzende erhalten die Möglichkeiten, Inhalte zu lesen und zu tauschen / verbreiten. Dies geschieht durch Geschichten, Wettbewerbe und Spiele, Teilen von Multimedia. Erreicht wird damit vor allem Wohlwollen und Interesse.
Partizipation schaffen
  • Social Media bergen revolutionäres Potenzial: Sie machen aus Benutzenden Mitarbeitende, die neue Inhalte liefern. Sei es bei der Erschliessung wie auch in der Forschung und Edition. Das Archiv wird zum Bürgerarchiv. Erreicht wird damit mehr Information und mehr Austausch.

Und es gibt noch mehr gute Gründe:

  • Social Media beleben die interne Kommunikation und Kollaboration. Die Mitarbeitenden eines Archivs / eines archivalischen Fachverbands profitieren von einer offenen, vernetzten Diskussion.
  • Social Media erleichtern die Zusammenarbeit mit (behördlichen) Aktenbildnern. Die Beratung in Sachen Record Management gewinnt durch die einfache Verbreitung und Diskussion von best practices.
  • Social Media wie TwitterBots ermöglichen einen neuen Einstieg in Archivbestände. Automatisiert-kuratierte Online-Sammlungen umgehen die Algorythmen von Suchmasken und bringen neue Verbindungen hervor. Wie beim Schmökern in der Freihandbibliothek gelingen so unerwartete Entdeckungen.
  • Social Media verbinden die Inhalte von Archiven mit den Anwendungen der Design- und Gamingwelt. Kulturgut wird auf unterhaltsame Weise nutzbar, spricht eine breitere Nutzerschaft an. Stichwort Mashup, Augmented Reality, Edugames, Tagging.

 

Raus aus der Leseecke? Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1013 1-157 1.

 

Konsequente Öffnung

Der guten Gründe sind wohl genug aufgezählt. Der wichtigste fehlt jedoch noch, zumindest aus der Sicht des Staatsarchivs Basel-Stadt: Im 21. Jahrhundert muss ein Archiv fähig sein, auf die Bedürfnisse seiner Benutzenden einzugehen. Es macht keinen Sinn mehr, das ungeheure Wissens- und Orientierungspotenzial eines Archivs passiv zu  horten und Eingeweihten zugänglich zu machen. Es braucht neue Schnittstellen zwischen der Logik der Aktenbildner und der Neugier der Öffentlichkeit, zwischen Staatsverwaltung und Gesellschaft, damit die Aktualität und Relevanz von Archivinhalten sichtbar und nutzbar wird. Und dazu können Social Media beitragen.

 

Was zu tun ist

Der Einsatz von Social Media kann die Aufgaben eines Archivs sinnvoll unterstützen. Dazu müssen aber mindestens folgende Voraussetzungen erfüllt werden:

Bekenntnis zum Dialog
  • Wenn Archive Social Media nutzen, kann dies nur gelingen, wenn sie dies aus Überzeugung heraus tun. Es braucht einen Wandel des archivischen Selbstverständnisses hin zu einem aktiven und partizipatorischen Informationsmanagement. Dies betrifft nicht nur die Abteilung Kommunikation, sondern alle Mitarbeitenden.
  • Unabhängig von Kanal / Medium müssen Social Media-Angebote über eine Feedback / Comment-Funktion verfügen, und Beiträge von Nutzenden müssen beantwortet werden.
Einplanung von Mehraufwand
  • Eine aktive Präsenz im Bereich Social Media bindet Personalressourcen respektive Zeit. Betroffen sind mehr oder weniger alle Mitarbeitenden. Als besonders aufwändig erweist sich die aktive Pflege einer community.
Datenschutzgarantie
  • Die archivrechtlichen Bestimmungen (Persönlichkeitsschutz) müssen bei freigegebenem Material eingehalten werden, analog zu den urheberrechtlichen Bestimmungen.
Klare Profile und Abgrenzungen der Kanäle
  • Social Media-Plattformen bieten redundante, gespiegelte Archivinhalte an, die der freien Gestaltung offenstehen und als kuratierter / user-generated Content erkennbar sind.
  • Das Basisangebot des Archivs, die vom Archiv bereitgestellten Inhalte und Metadaten, bleiben als Ausgangs- / Bezugsmaterial auf einer archiveigenen Plattform kontinuierlich und unverändert zugänglich.