Die Stadt zwischen Mittelalter und Moderne

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Aus dem Lesesaal

Die ersten Sätze des dem Grossen Rat am 6. Juni 1859 vorgelegten Ratschlags halten fest: «Es ist eine in die Augen springende Thatsache, dass seit ungefähr einem Jahrzehnt das Anbauen ausserhalb unserer Stadtmauern in einem Grade sich mehrt, wie früher nie. Die Ursachen dieser Erscheinung […] bestehen theils und hauptsächlich in vermehrter Bevölkerung, theils aber auch in dem natürlichen Bestreben, sich bei den immer steigenden Miethpreisen wohlfeilere und zugleich luftigere und bequemere Wohnungen zu verschaffen, wobei dann drittens allerdings auch noch die ausserhalb der Stadt entstandenen Eisenbahnhöfe und der an dieselben sich knüpfende Verkehr wesentlich mitgewirkt haben.» Es scheinen Bedürfnisse einer modernen Bevölkerung zu sein, die innerhalb der alten Stadtmauern nicht mehr befriedigt werden konnten. Ein Gesetz über die Erweiterung der Stadt folgte am 27. Juni 1859 und sah die Beseitigung der mittelalterlichen Befestigungen vor.

Einen grossen Kontrast dazu stellt die Fotografie Varadys von ca. 1867 dar: Sie zeigt das alte Stadtbild auf, mit Motiven aus dem Mittelalter, während sich die Stadt im Umbruch befand. Das moderne Medium der Fotografie wurde benutzt, um das Aufeinandertreffen von Mittelalter und Moderne zu dokumentieren. Die Stadtmauer war links und rechts vom Spalentor, wegen der exponierten Lage, deutlich höher als an anderen Stellen üblich, was verdeutlicht, welch ein Verkehrshindernis sie darstellte und wie sie Licht und Luft aussperrte. Die baufälligen Häuser halten die Erinnerung an das unkoordinierte Bauen im Mittelalter aufrecht und der Rondenweg, der auf der Innenseite den Mauern entlang verlief, durfte von Karren nicht befahren werden. Der Standort zeichnet sich durch typische Merkmale des alten Stadtbildes aus, das – kurz nachdem die Aufnahme gemacht wurde – nicht mehr lange existieren sollte. Varady fing diese Atmosphäre mit modernster Technik ein und war sich wahrscheinlich des starken Kontrasts und des allmählichen Verschwindens der Befestigungen und des alten Stadtbildes bewusst.

Blog zur Übung

Ein Gastbeitrag von Tim Buser, entstanden anlässlich der Lehrveranstaltung «Stadtbilder. Zum Umgang mit historischen Fotografien als Quellen der Stadtgeschichte», Departement Geschichte Universität Basel 2019.

Bildnachweis:

Staatsarchiv Basel-Stadt, NEG A 1106, Spalentor und Stadtmauer bis Fröschenbollwerk, Innenseite, vor 1918. Foto Varady & Cie