Strauss vor dem Gebäude der Basler Nachrichten, August 1939. Staatsarchiv Basel-Stadt, Hö 18024
Es mag trivial sein: Eine Fotografie, die Werbung zeigt, ist nicht automatisch eine Werbeaufnahme. Trotzdem gibt diese Fotografie Auskunft über Werbemethoden in mittlerweile historischer
Zeit. Das Variététheater Küchlin – seit seiner Gründung um die Jahrhundertwende bekannt für extravagante und effektive Werbemethoden – schickt hier für eine seiner Veranstaltungen einen Strauss quer durch Basel auf Werbetour. Im August 1939, einen Monat vor Kriegsbeginn in Europa, steht der Vogel an der Dufourstrasse 40 und wendet sich aufmerksam der Auslage der National-Zeitung zu (damals die auflagenstärkste Zeitung in Basel, 1977 mit den Basler Nachrichten zur Basler Zeitung fusioniert). Das neue Küchlin war ein Variété, das seit 1912 an der Steinenvorstadt für
Erwachsene, später auch für Kinder und Jugendliche ein Programm anbot. Kurzweilig, vergnüglich und lehrreich für die Kinder – das Programm Artistik, Operette, Tanz, Variété nach dem Muster der europäischen Metropolen Paris oder London fand bei der erwachsenen Bevölkerung Anklang.
Aber das Küchlin stellte für das Stadttheater, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft befand, eine ernst zu nehmende Konkurrenz dar, die das Stadttheater auszuschalten versuchte. In den 1920er-Jahren legte das Theater zum Beispiel bei der Polizei die Beschwerde ein, das Küchlin zeige in unstatthafter Ausweitung seiner Bewilligung auch Operetten und Theaterstücke, was den Betriebsgang des um Qualität bemühten Theaters schädige. Als diese abgewiesen wurde, ging das Theater einen Schritt weiter und beschwerte sich bei der Fremdenpolizei (des Bundes): Das Küchlin schädige das einheimische Gewerbe und benachteilige die einheimischen Arbeitskräfte, indem es unerlaubterweise ausländische Arbeitskräfte beschäftige. Der Bund spedierte die Beschwerde postwendend an die Basler Polizeidirektion zurück und die Angelegenheit konnte nach einigem Hin und Her erledigt werden.
Als aber von einer entrüsteten Baslerin bei der Polizei die Meldung eintraf, es würden in der Stadt Zettel mit dem Aufdruck «Vive Paris (blau) La revue des femmes rançaises (rot) Le spectacle le plus grandiose (blau)» mit 13 Bildern von halbnackten Frauenzimmern mit hochgespreiztem linkem Bein verteilt, sah sich der Polizeidirektor zum Einschreiten genötigt: «Seit vielen Jahren hat dieses Theater sich gehalten, ohne auf die niedrigsten menschlichen Instinkte zu spekulieren; sollte dies allenfalls nun anders werden, so müsste dies eine mir persönlich widerwärtige polizeiliche Aufmerksamkeit für den Betrieb zur Folge haben. Sie wissen so gut wie ich, was für ein Publikum man mit Nuditätenausstellungen zieht; dies wird Ihnen sicher
den Ausfall an bodenständigen, moralisch normal veranlagten Basler Besuchern nicht decken. Der Polizeiinspektor».
Das Küchlin zeigte aber auch Filme. Oft handelte es sich dabei um kommentierte oder musikalisch umrahmte Expeditions-, Tier- und Abenteuerfilme. Spielfilme wurden von der städtischen Filmzensur streng kontrolliert, man fürchtete bei diesem Medium noch stärker um die öffentliche Moral und beobachtete das Geschehen aufmerksam. Wofür der im Zaumgeschirr gezähmte
Strauss warb, ist uns aber nicht bekannt. Ob Werbeträger und Inhalt des Programms miteinander korrespondierten? Ein Film über die Tierwelt Afrikas? Und überhaupt: Woher kam der Strauss? Eine gemeinsame Werbestrategie des zoologischen Gartens mit dem Variété Küchlin für einen Film über Wildtierfänger? All dies ist denkbar, aber nicht nachgewiesen, da mit noch mehr Recherche verbunden. Bei Interesse sind Sie als Leser oder Leserin im Staatsarchiv für weitere Recherchen herzlich willkommen. So viel zur Werbung!
Dieser Beitrag von Staatsarchivarin Esther Baur erschien erstmals im Mitarbeitermagazin der kantonalen Verwaltung vom März 2010.
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