Manchmal blüht im Lesesaal des Staatsarchivs fast Weihnachtsstimmung auf. Wenn nämlich die Archivmitarbeiterin frühmorgens die bestellten Akten bereitlegt, routinemässig noch einen Blick in die Schachtel wirft- und dann beschenkt wird mit Überraschungen. Wie jüngst bei der unscheinbaren Schachtel mit der Signatur PA 1102 B 1-2 (1). Da fanden sich Briefe, Fotografien, Federn, ein Kompass, Parfum Flacons, Zähne … und vieles mehr. Persönliche Erinnerungsstücke von Trudy Barth-Götzmann (1921-1998) seien dies, verrät der Archivkatalog.
Was für Erinnerungen wohl mit diesem Zuckerstück verbunden waren? Notvorrat für Schwächestunden oder Lieblingsnichten? Souvenir jener Stunde im Kaffeestübli, als er ihr den Heiratsantrag machte? Die Lösung findet sich in einer anderen Schachtel, zumindest als plausible Möglichkeit: Diesen Zucker galt keinem Menschen. Ihn könnte Trudy Goetzmann (noch vor ihrer Heirat 1950) mit sich getragen haben, um ihr Pferd Rita zu belohnen, damals auf ihrem „Ritt der Amazonen“. Davon erzählen die zahlreichen Zeitungsausschnitte und Fotos in ihrem Nachlass. 1943 plante sie mit einer Freundin Reitferien in Pontresina, und die Reise dorthin und zurück wollten die beiden Frauen auch gleich zu Pferd angehen. So wurde daraus eine „Tour de Suisse zu Pferd“, ein kühnes Unterfangen mitten in den Kriegsjahren. Fünf lange Tagesritte gen Süden, ebensoviele Ruhetage und dann zurück, war geplant. Doch der militärische Umsturz in Italien machte einen Strich durch die Rechnung und zwang auf dem Heimweg zu einer Abkürzung.
Trotz Enttäuschung trafen die beiden Reiterinnen mit grosser Genugtuung in Basel ein. Der bezeichnende Kommentar in einer Tageszeitung: „Sie haben uns bewiesen, dass auch im schwachen Geschlecht die zähe Ausdauer und treue Pflichterfüllung vorhanden sind, deren es bedarf, um grosse sportliche Leistungen in aller Stille vollbringen zu können. Für ihren flotten Einsatz gebührt den beiden Amazonen restlose Anerkennung.“
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