Porträts mit Geschichte

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Allgemein

Im Zeitalter der Handyfotografie scheint es uns selbstverständlich, dass wir Fotos von uns machen (lassen). Vor hundert Jahren hingegen gab es längst nicht von jeder Person in Kleinbasel eine fotografische Aufnahme. Was heute im Archiv an historischen Porträts aus der Zeit zwischen 1880 und 1920 überliefert ist, bildet nur einen kleinen Ausschnitt der Bevölkerung ab. In der Ausstellung «Kleinbasel» werden historische Porträts von Menschen deshalb im Kontext gezeigt: als Porträt mit einer Herkunftsgeschichte. Und neben bestellten Porträts begegnet man auch Zufallsaufnahmen.

Wer wurde ins Bild gesetzt? Hauptsächlich Damen und Herren der bürgerlichen Schichten, die sich im Studio porträtieren liessen. Daraus entstanden oft sogenannte «cartes de visite», auf Karton aufgeklebte Porträts im Taschenformat. Ebenfalls auf Bestellung hin wurden Fotografien von Schulklassen und Vereinen gemacht. Unfreiwillig aufs Porträt gelangten hingegen jene Personen, die in Polizeigewahrsam gerieten. Zu Erkennungszwecken wurden ihre Abbilder in Fahndungsalben veröffentlicht. Die fotografischen Porträts von Spitalpatientinnen und -patienten wiederum dienten dem Zweck der wissenschaftlichen Beweisführung.

Die moderne Reportagefotografie, die Aspekten des gewöhnlichen Alltags und nicht Sensationen nachspürte, entstand erst Ende der 1920er-Jahre. Zuvor gab es keine systematische fotografische Dokumentationsarbeit für Themen wie Arbeit, Armut, Alter etc. Im Staatsarchiv Basel-Stadt sind deshalb aus dieser Zeit so gut wie keine Aufnahmen von randständigen Menschen überliefert. Auf Aufnahmen von Gebäuden, Strassen und Plätzen sind hingegen immer wieder Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten zu sehen, die zufällig anwesend waren. Oft etwas unscharf und am Rand, mit unbekannten Namen und Schicksalen, aber auch im Bild – und vor allem unretuschiert.

Vor der Kulisse im Fotostudio stellten sich die Abzubildenden in Pose. Entstehen sollten Bilder glücklicher Familien, kühner Männer oder eleganter Damen; Ausdrucks- und Bewegungsfreiheit waren selten. Auch wurden solche Auftragsporträts nachträglich retuschiert und idealisiert. Der Polizeifotograf versuchte hingegen Gesichtszüge unverfälscht einzufangen. Sogenannte Verbrecherfotos lassen deshalb oft mehr individuelle Züge erkennen als Fotos auf «cartes de visite». Dasselbe gilt für die zufällig ins Bild gekommenen Passantinnen und Passanten auf Postkarten und Strassenaufnahmen.

Was können Fotografien – historische wie zeitgenössische – über das Kleinbasel erzählen, über die
Menschen, die hier wohnen und arbeiten? Diesen Fragen spürt die Ausstellung «Kleinbasel» nach, die ab 19. März im Ausstellungsraum BelleVue an der Breisacherstrasse 50 zu sehen ist. Es ist die zweite Ausstellung in einer vierteiligen Reihe, die das Staatsarchiv Basel-Stadt in Kooperation mit dem Verein BelleVue – Ort für Fotografie realisiert.